Labyrinth der Puppen: Thriller (German Edition)
ergibt keinen Sinn. Da steht: ›Dieser Bereich darf unter gar keinen Umständen betreten werden. Unbefugte Eindringlinge werden korrigiert.‹«
»Was zum Henker meinen die mit ›korrigiert‹?«, frage ich.
Eine lange Pause entsteht, bevor Dan antwortet. »Klingt nach einer Gardinenpredigt, wie in der Schule. Oder nach plastischer Chirurgie.«
Ich möchte über keine der beiden Optionen ernsthaft nachdenken, aber dank Dan habe ich jetzt ein paar echt unerfreuliche Bilder im Kopf. Ich versuche, sie abzuschütteln. »Scheiße, Mann. Das ist doch total krank.«
»Also, was jetzt?«
Ich hole den Zigarettenstummel aus der Tasche und zünde ihn an. Ich nehme ein paar Züge und beobachte, wie der graue Qualm in der Luft tanzt und mit den schwarzen Ausdünstungen der Petroleumlampe verschmilzt. »Wir haben keine Wahl«, sage ich. »Jetzt heißt es: Hosen runter.« Zum ersten Mal lächelt Dan mich an, und auch wenn dieses gelbliche Licht seine viel zu weiße Haut kränklich erscheinen lässt, wirkt er plötzlich wie ein ganz anderer Mensch. »Ich meine«, ergänze ich, drücke den Stummel aus und verwahre den Rest für später, »nach allem, was wir bis jetzt durchgemacht haben – wie viel schlimmer kann’s da noch werden?«
Dieses Geschoss scheint sich sogar noch weiter zu erstrecken als das darüberliegende. Genug Parkplätze für sämtliche Autos in Joburg. Die Decke ist hier unten niedriger und ich habe das Gefühl, von den Wänden erdrückt zu werden. Nikotin und Koks sind nicht gerade hilfreich, um mein Herz zu beruhigen oder meinen Magen zu besänftigen, der sich zu einem festen Knoten aus Übelkeit verkrampft hat.
Dan bleibt stehen und hält mir die Lampe hin. »Kannst du sie eine Weile nehmen? Meine Finger glühen schon.«
Er gibt mir die Lampe, und fast lasse ich sie fallen, so heiß ist sie selbst durch den Stoff des Kapuzenshirts hindurch. Er muss ganz schön die Zähne zusammengebissen haben. »Scheiße, Dan! Warum hast du nichts gesagt?«
Er zuckt die Schultern. »Na ja. Es war nicht so ...«
»Scht!«, zische ich. »Hörst du das?«
»Was?«
»Sei still!«
Der Laut schwebt wieder zu uns heran.
»Ist das ... Musik?«
Wir sind mucksmäuschenstill. Da ist es wieder! Eine muntere volkstümliche Melodie, die mich aus irgendeinem Grund an die Melodie der Mos-Eisley-Cantina-Szene aus Star Wars erinnert.
Wir gehen schneller und fast vergesse ich die unangenehme Hitze der Lampe. Eine schlichte weiße Tür mit einer beruhigend normalen Metallklinke taucht aus der Dunkelheit auf, um uns zu begrüßen – die einzige Unterbrechung in der ansonsten soliden Betonwand vor uns.
»Ob sie wohl verschlossen ist?«, fragt Dan.
»Gibt nur eine Möglichkeit, es herauszufinden.«
Er zieht die Tür auf, und sofort müssen wir unser Gesicht vor dem gleißenden Licht abschirmen, das uns entgegenstrahlt. Wir waren jetzt so lange im Dunkeln, dass meine Augen zu tränen beginnen und ich ein paar Sekunden brauche, bis ich überhaupt erkenne, was ich dort vor mir habe: wieder eine dieser engen Treppen, wobei diese aber wenigstens nach oben führt. Stufen, Wände und Decke sind in einem fugenlosen weißen Mosaik gekachelt, was dem Ganzen den antiseptischen Anstrich eines Krankenhausflurs verleiht. Jetzt, wo die Tür auf ist, können wir die Musik deutlicher hören. Und da ist noch etwas: ein vertrautes leises Murmeln.
»Oh, Mann«, flüstert Dan. »Stimmen! Da oben sind Leute!«
»Du meinst, die Treppe führt zurück ins Einkaufszentrum? Eine Art Hintereingang oder so was?«
Dan hebt die Schultern. »Weiß der Geier, Rhoda. Wir sind ziemlich weit unter der Erde.« Seine Augen sind mehr als nur müde. So einen Gesichtsausdruck kennt man auch von Katastrophenopfern in den Nachrichten: eine erschöpfte Schicksalsergebenheit.
»Willst du eine Pause machen?«
»Nein«, lehnt er ab. »Ich will diesen Mist hinter mich bringen.«
Ich stelle die Lampe vorsichtig auf den Boden. Ohne ein Wort zu sagen, steigen wir die Treppe hinauf.
Es hätte mich nicht gewundert, wenn die Treppe endlos nach oben geführt hätte, so wie alles an diesem beschissenen Ort. Aber schon nachdem wir ein paar Absätze umrundet haben, erreichen wir eine weiße Kunststofftür. Keiner von uns hat es eilig, sie zu öffnen. Was auch immer uns auf der anderen Seite erwartet, eins ist uns nach dem, was wir von hier aus hören können, schon klar: Es ist nicht die inhaltslose Berieselungsmusik des Einkaufszentrums mit seinen glänzenden Ladenfronten. Die
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