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Labyrinth der Puppen: Thriller (German Edition)

Labyrinth der Puppen: Thriller (German Edition)

Titel: Labyrinth der Puppen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. L. Grey
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Missfallen einer Frau zu erregen, wie ein Zauberspruch. Ich kann nicht anders: Ich will, dass sie mich mag. Also stehe ich auf und beginne, die gegenüberliegenden Spiegel abzusuchen.
    Ich mag wirklich keine Spiegel. Immerhin bin ich in meinem Leben mittlerweile an dem Punkt angelangt, dass ich mich selbst einigermaßen akzeptieren kann, solange ich mein Aussehen ignoriere. Meine riesige unförmige Nase, die dunklen Totenkopfaugen mit ihren Tränensäcken, meinen dürren Hals, die Pickel – ich habe immer gedacht, damit wäre es vorbei, wenn man aus dem Teenageralter heraus ist. Wenn ich gut drauf bin, glaube ich daran, dass unter diesem Äußeren ein ganz netter Kerl steckt, jemand, mit dem sich ein Mädchen unterhalten möchte, jemand, der eines Tages sogar geliebt werden könnte. Und manchmal lächelt mich tatsächlich eine Frau an, als ob sie den Erwachsenen in mir sieht.
    Und dann läuft mir ein Scheißspiegel über den Weg und erinnert mich daran, dass ich nie eine Chance hatte. Dieses grausige Bild brennt sich in mich ein, und wo immer ich hingehe, begleitet mich diese Missgeburt. So sehr ich auch versuche, sie durch Kajal oder T-Shirts oder gefärbte Haare oder Tattoos oder was auch immer zu verstecken: Ich bin immer noch ich. Der debil grinsende, magere, hässliche, pickelige Freak.
    Und dann muss ich auch noch ausgerechnet in einem beschissenen Einkaufszentrum arbeiten! Auf jeder freien Fläche Spiegel; wunderschöne Frauen, aufreizend gekleidet, die mir mit jedem hochhackigen Arschwackeln zu verstehen geben, dass ich nie bei ihnen landen werde. Schaufensterpuppen und Hochglanzzeitschriften und Geld – das alles bläut mir unverdrossen die Tatsache ein, dass ich nur hier bin, um zu dienen. Dass ich nie, nie, nie einer von ihnen sein werde.
    Bleib da, wo du hingehörst, Junge. Du bist nichts wert.
    Genau das ist es, was diese SMS-Wichser machen. Ich kenne diesen Ton. Wie die Arschlöcher in der Schule, die immer die Kleineren niedergemacht haben, nur weil sie selbst aus einem absolut unerklärlichen Grund der richtigen Gruppe angehörten. Aus einem absolut unerklärlichen Grund befanden sie sich in der stärkeren Position. Sie waren potthässlich und dumm wie Brot, aber aus unerfindlichen Gründen glaubten sie fest an das Gegenteil.
    Echte Stärke – hätte denen mal jemand erklären sollen – besteht darin, sie nicht anwenden zu müssen. Motherfucker.
    Ich betrachte mich noch einmal im Spiegel und unterdrücke das Verlangen, meinen Blick abzuwenden. Ich schaue genau hin. Jetzt habe ich wenigstens einen Grund, beschissen auszusehen. Man sieht mir an, dass ich einiges durchgemacht habe. Mein Gesicht ist dreckverschmiert, meine Poren mit Schweiß und Staub verklebt. Wenn ich jetzt noch eine Zigarette zwischen den Lippen hätte, wäre das Bild komplett. Dann sähe ich aus wie ein Penner, dem alles egal ist. Ich möchte gern, dass mir alles egal ist.
    Ich schiele zu Rhoda und frage mich, wie sie damit klarkommt. Ich wüsste gern, woher sie die Narbe im Gesicht hat und was sie dazu getrieben hat, sich die Schnitte an den Armen zuzufügen. Jetzt ist sie frech und stark und ganz schön furchteinflößend. Wie hat sie es geschafft, so zu werden?
    »Hier ist nichts«, rufe ich ihr zu. »Kann ich noch eine Zigarette schnorren?«
    »Oh Gott«, stöhnt sie, »ich habe ein Monster erschaffen. Es sind nur noch zwei da. Aber weil du so lieb fragst ...« Sie trifft mich auf halber Strecke zwischen den Spiegelwänden und zündet mir eine an, bevor sie sich selbst eine abgekniffene halbe ansteckt. Ich setze mich mitten im Raum auf den Boden und inhaliere seufzend.
    »Du solltest dich nicht ausgerechnet da hinsetzen, Dan«, sagt Rhoda. »Rutsch ein Stück zur Seite.« Sie zeigt auf den Schriftzug ›Metzgerei‹ auf dem Boden.
    »Ja, hast recht.« Ich rutsche weiter zu ›Käse‹. Rhoda setzt sich gegenüber von mir hin und blickt an mir vorbei zur Spiegelwand. 47:21 .
    »Ich fühle mich wie ein Stück Dreck, das in einer Bowle schwimmt.«
    »Auf einer Hochzeit.«
    »Auf Lady Dis verfickter Hochzeit.«
    Ich rauche. Und da weiß ich plötzlich, was ich zu tun habe. Ich drücke die Kippe auf dem weißen Boden aus, verschmiere die Asche so weit wie möglich, und dann stehe ich auf und renne und schreie, schreie diesen ganzen gottverdammten Mist aus mir heraus, schreie, bis die Halle von den reflektierten Schallwellen dröhnt, bis Lunge und Kehle eins werden, bis mein ganzer Körper mit dem Lärm mitschwingt.
    Ich renne. Und

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