Labyrinth der Puppen: Thriller (German Edition)
Musik ähnelt eher auf beunruhigende Weise altmodischer Drehorgelmusik – wie sie auch in billigen Gruselfilmen zum Einsatz kommt. Immer wieder gibt es einen kurzen Ausbruch lauten, humorlosen Lachens und das brummelnde Murmeln einer größeren Menschenmenge. Aber nicht nur die unheimliche Musik und die Stimmen sind es, die uns zögern lassen. An der Tür hängt ein weiteres dieser mysteriösen laminierten Schilder:
Betreten des Marktes auf eigenes Risiko!
Die Geschäftsführung übernimmt keine Haftung für Verletzungen durch Verschlucken von Kleinteilen, Verbluten, unerlaubte Amputationen, Diebstahl, Transplantationen, kleine spitze Glassplitter oder Tod.
»Okay«, fasse ich zusammen. »Wir haben zwei Möglichkeiten. Wir können den Weg zurückgehen, den wir gekommen sind, und möglicherweise auf diese ... Kreatur stoßen oder wir gehen durch diese Tür. Aber glaub mir, ich hab wirklich kein gutes Gefühl dabei.«
Dan reibt sich mit beiden Händen übers Gesicht, dann erwidert er meinen Blick. »In der SMS war doch von einem Markttag die Rede. Das muss hier sein ...« Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Furcht in seinen Augen sich perfekt in meinen widerspiegelt. »Verdammt, Rhoda«, sagt er. »Lass es uns tun.«
Er hält mir die Hand hin, die ich ohne zu zögern nehme.
Dann öffnet er die Tür und wir treten hindurch.
Kapitel 8: DANIEL
Alles ist weiß. Rhoda schließt die Tür hinter uns und wir lehnen uns mit dem Rücken dagegen, bis unsere Augen sich an die Helligkeit gewöhnt haben. Allmählich schälen sich Einzelheiten aus der blendenden Grelle heraus. Ein schneeweißer Boden, schneeweiße Wände, eine Halle von der Größe einer durchschnittlichen Kirche oder Markthalle, aber leer, nur ein riesiger viereckiger Kasten mit blendend weißen Wänden und Boden. Grelle Strahler, wie Tupfen über die Decke verteilt, leuchten auf uns herab.
Die überdrehte Leierkastenmusik ist noch immer zu hören, aber jetzt entfernter, erstickt und gequält, als ob eine Kapelle innerhalb der Wände spielt, deren Musiker während des Vortrags nach und nach im Beton ersticken. Die Lautstärke schwankt, mal wird die Musik lauter, dann verklingt sie, als hätten wir sie uns nur eingebildet, dann nimmt die Lautstärke wieder zu. Mit silbernem Klebeband sind Abtrennungen auf dem Boden markiert, zweidimensionale Grenzen in verschachtelter Anordnung. Beschriftungen auf dem Boden – Buchmaler, Apotheker, Taverne, Weber – machen deutlich, dass es sich um den Grundriss des Marktes handelt. Aber hier ist nichts.
»Das ist es?«, frage ich. »Sollen wir so tun als ob, oder was?«
Rhoda wandert in der Halle umher und hinterlässt überall staubige Abdrücke auf dem Boden. Sie geht zurück zur Tür.
»Verdammt! Sie ist zu.« Mit aller Kraft rüttelt sie an der Klinke. »Wir sind eingesperrt.«
Sie sucht die Wände ab, inspiziert den Boden. »Scheiße«, flucht sie vom anderen Ende des Raumes. Ihre Stimme hallt durch die weiße Leere. Als die Musik abebbt, ist es hier so totenstill, dass ich meinen eigenen Atem hören kann.
Mein Handy piept.
Dan, du faules Schlappschwanzmuttersöhnchen. Schläfst, wenn du Umsatz machen solltest. Und wir haben dich so nett eingeladen, du Matschbirnenzombie. Bist du noch dabei? Willst du noch spielen?
Heilige Scheiße. Diese Leute beobachten uns tatsächlich. Jetzt, in genau diesem Moment. Das ist kein wahlloser Spam. Diese Leute spielen mit uns. Aber wer sind sie und was zur Hölle wollen sie von uns? Plötzlich sehe ich ganz deutlich meine Mutter vor mir, voller Panik, wo ich denn stecke. Ich sehe sie, wie sie am Telefon meinem Onkel unten in Kapstadt etwas vorheult. Ich sehe mein Zimmer. Ich will nach Hause. Ich will meine Mutter in den Arm nehmen, ihr sagen, dass es mir gut geht. Ich will, dass es mir gut geht. Ich will aufwachen.
Ich lasse das Handy fallen, schlage beide Hände vors Gesicht und stoße einen lauten Seufzer aus. Das sollte doch wohl reichen, um mich zu wecken. Das ist, als ob man träumt, dass man stirbt – dann wacht man ja auch auf.
Rhoda kommt zu mir, hebt mein Telefon auf und liest die Nachricht. »Verdammt. Wie es aussieht, haben wir den Markt verpasst.«
Piep-piep. Piep-piep.
Rhoda holt ihr Handy heraus und schaut es an. Sie runzelt die Stirn. »Ist wieder deins.«
Ich nehme mein Handy und öffne die Nachricht.
Also? Wir hamdich was gefragt. Machst du mit oder nicht?
»Sagt uns doch einfach, wie wir hier rauskommen!«, schreie ich die Decke an. Da muss
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