Labyrinth der Puppen: Thriller (German Edition)
und der Schafsfellteppich, den ich in dem Moment haben musste, als ich ihn gesehen habe. Ich brauche noch einen Tisch, aber ich habe mein Herz schon an den durchsichtigen Glastisch, den ich bei Four Legs gesehen habe, verloren. Soll ich ihn mir jetzt gleich holen? Was ist, wenn ihn mir in der Zwischenzeit jemand vor der Nase wegschnappt? Bei diesem Gedanken krampft sich mein Magen vor lauter Besorgnis zusammen, aber ich beschließe, erst meine Zigarette zu Ende zu rauchen.
»Noch etwas Champagner, Madam?«
Ich nicke und der Kellner füllt mein Glas nach. Ich bemühe mich, nicht auf die riesige Kruste in seinem Nacken zu starren, als er meinen Tisch verlässt. Er hatte die Wahl, nicht wahr? So hat es zumindest die Rattenfrau gesagt. Die Bläschen kitzeln in meiner Nase und mein Kopf fühlt sich angenehm leicht an. Ich habe diese Austern- und Champagnerbar direkt neben dem Dessousgeschäft ( Miss Flittchen ) entdeckt, und der Kellner ist vor Entzücken fast ohnmächtig geworden, als ich ihm hineingefolgt bin.
So lässt sich’s leben.
Natürlich kann man das nicht als richtiges Leben bezeichnen, oder?
»Egal.«
Das unecht gebräunte Paar, das ich schon früher getroffen habe, schaut von seinem Platz an der Bar zu mir herüber und hebt grüßend die Champagnergläser. Ich lächle zurück, stecke mir eine weitere Zigarette mit meinem brandneuen Zippo an und wickle mir eine Strähne meiner frisch gekauften Haar-Extensions um den Finger. Die Friseurin meinte, ich sollte mir als Nächstes die Fingernägel machen lassen, und da hat sie nicht ganz unrecht. Meine abgekauten Nägel passen so gar nicht zu meinem Outfit, und so ein Satz blutroter Krallen ist eine verlockende Vorstellung. Und ich sollte wirklich mal diesen Waxing-Laden neben dem Hippie-Titus -Tattoostudio aufsuchen.
Das Pärchen gleitet von seinen Barhockern und klackert auf meinen Tisch zu.
»Dürfen wir uns zu Ihnen gesellen?«, fragt der Mann lispelnd und mit ungewöhnlich hoher Stimme.
»Bitte«, nicke ich. Mein Blick fällt auf seine Schuhe. Sie laufen vorne in einer scharfen Spitze aus. Etwas regt sich in meinem Gedächtnis, aber ich schiebe es beiseite. Ich kann nicht aufhören, an diesen Glastisch zu denken. Er passt wirklich perfekt in mein neues Wohnzimmer.
Die beiden Shopper nehmen Platz und verstauen die Einkaufstüten um ihre Füße herum. Jetzt, da ich ihnen so nahe bin, erkenne ich erst das ganze Ausmaß ihrer operativen Veränderungen. Winzige weiße Narben verstecken sich in den Augenwinkeln der Frau, ganz offensichtlich ist sie dort geliftet worden, und an der Stirn des Mannes ist Narbengewebe zu sehen, als sei dort eine größere Operation vorgenommen worden. Was vermutlich auch der Fall ist. Oben auf seinem Kopf prangt eine Auswölbung. Hat er sich dort irgendwelche Knochenprothesen implantieren lassen? An ihrem Armstumpf trägt die Frau mehrere teuer aussehende Uhren. Sie bemerkt, dass ich sie betrachte, und lächelt.
»Charles Pratt«, sagt sie. »Die besten im ganzen Einkaufszentrum. Sie müssen dort shoppen gehen!«
Der Mann nickt. Er grinst breit und zeigt sein schwarzes Zahnfleisch, das – wie ich jetzt erkenne – tätowiert ist. »Ja. Unbedingt.« Er tätschelt den Arm der Frau. »Leletia ist ihr Maskottchen.«
»Ihr was?«
»Wir haben uns gerade darüber unterhalten«, fährt der Mann fort, als hätte ich nichts gesagt, »dass Sie das perfekte Maskottchen für Skin Deep abgeben würden.«
»Ihre Haut«, sagt die Frau und starrt meine Narbe an. »Sie ist so schön.«
»Sind Sie bereits zugeteilt worden?«, erkundigt sich der Mann.
»Ähm. Nein. Nicht dass ich wüsste.«
»Na, dann sollten Sie sofort dorthin gehen. Man kann ja kein Shopper sein ohne Werbung, nicht wahr? Es sei denn natürlich, Sie wollen abgewertet werden.«
Die beiden kichern leise.
»Darf ich Ihnen eine Frage stellen?«, sage ich. »Diese Abwertungssache – was genau bedeutet das?«
Das weißt du doch bereits, Rhoda. Stell dich nicht so blöd an.
Die Frau runzelt die Stirn und sieht ihren Begleiter verwirrt an.
»Ich bin neu hier«, erkläre ich. »Ich kenne noch nicht alle Regeln.«
»Abwertung ist Sache des Managements. Die entscheiden natürlich, wann es geschieht.«
»Klar. Aber was genau passiert da mit einem?«
»Man wird in die Verwertungsstation geschickt!«, antwortet die Frau fröhlich.
Der Mann tippt sich an den Kopf und fährt mit dem Finger über die Narbe an seinem Haaransatz. »Zum Recycling.«
Ach. Du. Heilige.
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