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Labyrinth der Puppen: Thriller (German Edition)

Labyrinth der Puppen: Thriller (German Edition)

Titel: Labyrinth der Puppen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. L. Grey
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weiblichen Abnormalen, die hochkant aus der Ladentür fliegt, illustriert das Schild.
    Ein gutes Dutzend absurd und teuer gekleideter Leute schlendern durch den Laden. Sie sind abgemagert, vernarbt, amputiert oder kolossal fett und über und über mit Schmuck und Juwelen behängt. Abnormale sind keine in Sicht. Diese Shopper passen perfekt in eine Anzeige in einer Hochglanzzeitschrift. Genau wie Rhoda. Ich zögere an der Tür. Da kann ich nicht reingehen. Ich schäme mich für meinen Körper. Der Verkäufer und einige der Kunden werfen Rhoda bewundernde Blicke zu, doch ihre Mienen verändern sich schlagartig, als sie mich zu Gesicht bekommen. Was hat diese ... Kreatur mit dieser wunderbaren Shopperin zu tun?, fragen ihre spöttisch gekräuselten Lippen.
    »Geh du hinein«, sage ich zu Rhoda. »Ich werde hier, äh ...«
    Rhoda öffnet den Mund, um mir zu widersprechen, aber auch ihr sind die angewiderten Blicke, mit denen die anderen mich bedenken, nicht entgangen. »Okay.« Sie legt mir die Hand auf den Arm. »Ich schaue nach, ob Napumla da drin ist, dann können wir uns hier draußen mit ihr unterhalten.« Ich suche in einer Ecke neben dem Laden, wo mich niemand beachtet, Zuflucht. Rhoda legt einen Schalter in ihrem Kopf um und stolziert in den Laden. Ich beobachte ihren Hintern, während sie läuft.
    Ich spähe durch die hinterste Ecke des Schaufensters und sehe, wie Rhoda den Raum durchschreitet. Interessiert betastet sie ein altertümliches Fischbeinmieder, doch dann kommt sie zur Besinnung und wirft mir einen schuldbewussten Blick zu. Sie stöckelt weiter und mustert die anderen Shopper. Sie seufzt enttäuscht.
    »Napumla!«, ruft sie. Das kann sie doch nicht machen! Der Wachdienst wird ... Aber dann erinnere ich mich, dass Rhoda ja nun eine Shopperin ist. Sie kann sich benehmen, wie sie will. Zwei beeindruckend gemästete Shopper mustern sie neugierig, aber sonst reagiert niemand.
    »Napumla! Sind Sie hier?«, ruft Rhoda noch einmal.
    Der Vorhang einer Umkleidekabine bewegt sich.
    »Ja?«
    Eine Frau tritt heraus. Das muss Napumla sein. Sie hat eine Hungerfigur und ist gebleicht und blauadrig bis zum Abwinken, aber unter alledem erkennt man noch deutlich ihre ursprüngliche braune Hautfarbe. Könnte sie ihr Gesicht bewegen, würde es bei Rhodas Annäherung wohl einen Ausdruck von Beunruhigung zeigen, aber es ist botoxgespritzt von hier bis Anchorage. Eine Flucht ist unmöglich, denn ihre 15-Zentimeter-Absätze sind nicht zum Wegrennen geeignet. Rhoda redet kurz auf sie ein, dann drängt sie die Frau aus dem Laden und versucht, sie in den nächstgelegenen Personalkorridor zu ziehen.
    »Verflixt, Schätzchen«, schrillt Napumla, »nicht dort hinein, bitte. Gerade Sie sollten doch wissen, wie gefährlich es dort ist. Das ist das Territorium des Hüters!« Sie gestikuliert in Richtung der rückwärtigen Korridore. An der linken Hand hat sie nur drei Finger.
    »Okay, kommen wir gleich zur Sache, dann müssen wir uns hier nicht lange aufhalten«, sagt Rhoda, aber wir bleiben auf der Kundenseite der Personaltür stehen.
    »Sie sind neu, nicht wahr? Ich sehe, Sie haben bereits Ihre Wahl getroffen. Sie werden einen guten Shopper abgeben«, lobt sie Rhoda. »Sie sind wunderschön.« Sie hebt die Hand und streichelt über Rhodas Kinn und Wangenknochen, auf der glatten Seite und der vernarbten. Zu meiner Überraschung bricht Rhoda ihr nicht sofort den Arm. Sie steht nur da und guckt aus der Wäsche wie ein verhätscheltes Kätzchen.
    »Das Beste, was Sie tun konnten«, wendet Napumla sich an mich, ohne einen Hehl aus ihrer Verachtung zu machen, »ist Kundendienst. Aber sie werden von Ihnen erwarten, dass Sie mästen. Als ich im Kundendienst gewesen bin, wollten die auch, dass ich mäste. Kann man sich das vorstellen? Ich? Dabei hatte ich doch so viel mehr Potenzial für H & A. Mein Gott, wenn ich daran denke, dass ...«
    »Seien Sie still!«, schnaube ich. »Wir wissen, dass Sie es geschafft haben, diesen Ort zu verlassen. Aber wie? Wir müssen wissen, wie!«
    »Das ist nicht die richtige Frage, nicht wahr?« Sie redet erneut mit Rhoda, als sei ich ihrer Aufmerksamkeit unwürdig. »Die Frage lautet: Warum? «
    Rhoda steht bewegungslos da und starrt Napumlas Amputationen an: ihre gerafften, gestreckten und verformten Ohren, die aufgedunsenen Schmolllippen, ihr Gesicht, das wie eine Gummimaske aussieht. Da ist etwas in Rhodas Augen – Furcht, Erregung, es ist schwer zu erkennen. Blickt sie ins Leere oder auf ein Objekt der

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