Labyrinth der Puppen: Thriller (German Edition)
Begierde?
»Was meinen Sie, wie lange Sie das noch aushalten?«, fragt sie Napumla.
»Wie können Sie es wagen?«
»Ich will Sie nicht beleidigen, Napumla. Ich muss es nur wissen. Denn ich bin wie Sie.«
»Mädchen«, sagt Napumla müde, »Sie sind nicht wie ich. Sie sind neu hier. Sie werden zusammen mit der aktuellen Mode vergehen. Ich bin schon länger hier, als Sie sich vorstellen können. Saison für Saison.«
Mein Gel-Handy summt kurz. Ein Erinnerungssignal. Noch 15 Momente. Ich verspüre das dringende Bedürfnis, an die Arbeit zurückzukehren. »Hör mal, Rhoda, ich muss zurück. Ich hab Hunger und muss pinkeln, bevor meine Schicht wieder anfängt.«
Napumla nimmt die Unterbrechung zum Anlass, den Personalkorridor zu verlassen und zurück in Richtung Laden zu laufen.
»Warten Sie!«, ruft Rhoda. »Warten Sie. Bitte. Wir müssen wissen, wie Sie rausgekommen sind.«
Napumla linst misstrauisch in die schattige Ferne des Korridors. »Warum?«
»Wir wollen nach Hause.«
»Nach Hause? Und wo soll das sein, Mädchen?«
»Verraten Sie uns doch einfach den Weg!«
Napumla seufzt und schaut auf ihre Armbanduhr. »Meinetwegen. Gehen Sie zum Ausgang. Signalisieren Sie dem Management, dass Sie hinauswollen. Wenn Ihnen eine Frage gestellt wird, antworten Sie wahrheitsgemäß. Das ist alles.«
»Zum Ausgang? Welchem Ausgang?«, frage ich.
»Es gibt keine Ausgänge!«, ruft Rhoda gleichzeitig. »Ben und Palesa sagten ...«
»Sie irren sich«, unterbricht Napumla. »Es gibt einen, wenn man weiß, wo man suchen muss.«
Rhoda seufzt und flucht leise. »Und wissen Sie, wo man suchen muss?«
Napumla wirft uns einen herablassenden Blick zu. »Tür 72. Zweites Untergeschoss.«
»Woher wissen Sie das?«, frage ich.
»Es wäre zum Sterben schön, noch ein bisschen mit Ihnen zu plaudern, meine Lieben, aber in diesem Korridor juckt es mich im Schritt, außerdem endet der Expressausverkauf in ein paar Momenten.«
»Okay«, meint Rhoda. »Vielen Dank.«
»Warten Sie ...«, rufe ich ihr nach. »Das reicht nicht. Man geht einfach zur Tür raus? Man geht einfach zur Scheißtür raus? Und dann? Wir brauchen Informationen. Wir müssen wissen, was uns auf der anderen Seite der Tür erwartet!«
»Ich habe Ihnen das Wie verraten, aber Sie werden feststellen, dass das Warum viel wichtiger ist«, antwortet Napumla über die Schulter, während sie davonstakst. Ihre spindeldürren Beine wirken, als ob sie jeden Moment durchbrechen. »Was glauben Sie, warum ich zurückgekommen bin?«
»Sie verarscht uns, Rhoda!«
»Ich weiß nicht. Vielleicht.« Rhoda macht einen benommenen Eindruck. Auch ich fühle mich schlapp. Ich habe nur den Wunsch, schnell etwas zu essen und zurück an die Arbeit zu gehen. Ich will nicht weglaufen. Ich will keine Türen öffnen. Ich will keine Missachtung begehen. Ich will nicht zu spät zu meiner Schicht kommen.
»Wie heißt deine Freundin?«, fragt Rhoda und reißt mich aus meiner Benommenheit.
»Hm?«
»Deine Freundin. Die Schickse im Telefonladen.«
»Sie ist nicht ... Colt. Warum?«
»Wir müssen sie fragen, wie wir zu Tür 72 kommen.«
»Was? Jetzt?« Ich muss zurück zu meiner Schicht. Ich habe Hunger und muss pinkeln. »Das können wir doch später noch. Morgen.«
»Wenn wir es jetzt nicht tun, tun wir es nie.« Ihre Stimme ist ruhig, ihr Gesicht emotionslos, aber es ist das Furchterregendste, was ich sie jemals habe sagen hören.
»Okay.«
Wir gehen zum Telefonladen. Colt steht wie immer hinter der Ladentheke. Ich gehe hinein und lasse Rhoda vor dem Schaufenster des Schuhgeschäfts gegenüber zurück. »Colt, ich muss mit dir reden.«
»Guten Tag, Sir.«
»Colt, ich bin’s ... Daniel.« Was soll ich ihr sagen? Dass wir gehen? Dass Sie als mein Bürge die Konsequenzen zu tragen haben wird? »Ich brauche deine Hilfe, um einen ... Ort zu finden.«
»Was kann ich für Sie tun, Sir?« Sie lächelt ihr strahlendes Verkäuferinnenlächeln. Sie muss irgendwo dort drinnen sein, aber ich kann sie nicht finden. Verdammt . Ich versuche etwas anderes.
»Was passiert, wenn du zu spät zu deiner Schicht kommst?«
»Sir, ich bin eine loyale Mitarbeiterin des Last-Call-Teams. Ich käme niemals auf die Idee, das Firmenethos zu missachten.«
»Aber nehmen wir mal an ... etwas kommt dazwischen. Ein Notfall. Ein Unfall.«
»Brauchen Sie Hilfe, Sir?« Ist das jetzt Colt, die da spricht?
»Was würde passieren, wenn du nicht zurück zur Arbeit kommst?« Mein Gel-Handy summt wie eine Schulglocke kurz
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