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Labyrinth der Spiegel

Labyrinth der Spiegel

Titel: Labyrinth der Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukianenko Sergej
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gesagt: ›Der da, das ist ein Diver!‹ Der Autobus wäre beinahe umgekippt, weil alle auf eine Seite gestürmt sind, um den Diver zu begaffen.«
    Wir lachen beide.
    »Hierher kommen wir nur selten.« Kirk nuckelt geräuschvoll an der Zigarre. »Aber Sam wollte unbedingt in die Buchhandlung, deshalb haben wir hier einen Stopp eingelegt. Da hat er es nicht weit bis zu den Büchern,
gleichzeitig sind die Restaurants in der Nähe. Genau wie alles andere. Sam, das ist der lange Kerl da, der in Jeans und kurzärmligem Hemd.«
    »Der Schwarze, oder was?«
    Kirk erstickt fast an diesem unverhüllten Rassismus. Wie kann man einen Schwarzen freiheraus einen Schwarzen nennen?
    »Okay, ich muss weiter, die Arbeit ruft«, nuschelt er und marschiert schnurstracks und ohne sich zu verabschieden auf den Bus zu. Ich zucke die Achseln. Ach, ihr Bürger dieses so mächtigen Landes! Wenn ihr wüsstet, wie absurd und dumm eure Komplexe sind!
    Aber auch für mich wird es Zeit. Kaum hebe ich die Hand, rauscht ein freies Taxi um die Ecke.
    »Die Gesellschaft Deep-Explorer freut sich, Sie begrüßen zu dürfen!«, sagt der Fahrer sein Sprüchlein auf. Und als hätte ich es eigens verlangt, ist es ein Farbiger. Leise kichernd steige ich ein.

01
    Die Fahrt dauert ziemlich lange. Der Deep-Explorer muss sich erst über diverse Hosts mit der Immobiliengesellschaft Poljana in Verbindung setzen. Mein Rechner ist zu lahm, als dass das ganze Haus, in dem ich mir selbst eine Wohnung gemietet habe, über ihn laufen könnte, Poljana ist da auf die Unterstützung eines zweiten Servers in Weißrussland angewiesen. Das ist nicht sehr teuer, aber trotzdem zuverlässig. Selbst wenn ich mir einen neuen Rechner zulegen sollte, will ich daran nichts ändern.
    Unterwegs vergnüge ich mich damit, dass ich mir die Welt mal als richtige, mal als virtuelle ansehe. Inzwischen strengt mich das nicht einmal mehr an, ja, mit der Zeit kriege ich es sogar hin, die Wahrnehmung des Raums lediglich bei einzelnen Fragmenten zu ändern. Ein gezeichnetes Auto überholt unser echtes. Eine echte Frau geht über eine gezeichnete Straße. Zwei Männer unterhalten sich, ein echter und eine Zeichentrickfigur.
    Wenn das Wahnsinn ist, dann gefällt er mir.
    Ich lasse den Volvo, in dem wir sitzen, für mich als Zeichnung erscheinen und schiebe die Hand durchs Glas
des Fensters. Nach einem leichten Druck auf der Haut spüre ich an der Hand den Fahrtwind.
    Unvorstellbar!
    Für die Welt um mich herum sind doch andere Server zuständig, bin ich hier doch nur auf Durchreise! Möglicherweise kommst du auf normalem Wege nicht mal hierher! Und da kann ich jederzeit raus aus dem Raum oder den fahrenden Wagen verlassen?! Etwas hat sich geändert, etwas spielt völlig verrückt. Denn ich tauche nicht mehr nur in die Tiefe ein – ich lebe in ihr!
    Einen Block vor meinem Haus bitte ich den Fahrer anzuhalten. Dieser Bezirk ist mir gut bekannt, er gehört ein paar russischen Großbanken. Inoffiziell natürlich. Die Finanzleute sehen keinen besonderen Sinn in dieser Art Kapitalanlage, aber ihre Programmierer haben sich hier auf Firmenkosten Wohnungen gebaut. Welcher dieser neureichen Banker käme auch schon auf die Idee, dass über seinen Computer nicht nur Soll und Haben verwaltet werden, sondern auch ein Teil Deeptowns läuft?
    Kein Ort ist so geeignet wie dieser, um mich von meinen neu erworbenen Fähigkeiten zu überzeugen.
    Hier, im Stadtzentrum mit seinen Wohnhäusern und Vergnügungsparks, gibt es ziemlich viele Leute. Ich laufe den Bürgersteig hinunter und halte nach einem ruhigeren Eckchen Ausschau.
    Da! Das müsste klappen. Eine kleine Grünanlage mit einem Springbrunnen und ein paar Bänken, die vor der Brandmauer eines Hochhauses liegt. Sie ist schlicht, aber mit Geschmack gestaltet. Unter Missachtung des Schilds »Hunde verboten!« führt ein rotblondes Mädchen ihre
Katze an der Leine spazieren. Gut, eine gewisse Logik kannst dem nicht absprechen, schließlich gilt das Verbot nicht für Katzen. Die Katze hat der Leine offenbar den Kampf angesagt, denn sie bleibt ständig stehen und versucht, sie mit der Pfote abzureißen. Ich erwidere den ernsten Blick des Mädchens mit einem Lächeln – und muss mich nur ganz kurz konzentrieren, um aus ihr eine Zeichnung zu machen.
    Die Katze lasse ich echt. Ihr Fell ist sonnenrot, genau wie das Haar der Besitzerin, sie ist frech und quirlig. Virtuelle Tiere machen einen der einträglichsten Geschäftszweige in Deeptown aus, nach den

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