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Labyrinth der Spiegel

Labyrinth der Spiegel

Titel: Labyrinth der Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukianenko Sergej
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Hüfte Bier und sieht mit arrogantem Gesichtsausdruck zum Becken hinüber.
    Die Versuchung, aus den Hosen zu steigen und ebenfalls ins Becken zu springen, ist groß. Alle Achtung, meine Herren Programmierer, die ihr für diese Bank schuftet! Das habt ihr wirklich gut hingekriegt. Mich würde allerdings interessieren, ob all den Leuten hier in der Realität der Schweiß ausbricht, wenn sie sich nach dem Aufguss mit den Reisigbündeln peitschen.
    Zu viel solltet ihr euch aber nicht darauf einbilden – immerhin bin ich ohne weiteres hereingekommen!
    Noch verbergen mich die Säulen am Becken vor den Blicken anderer, aber das dürfte sich bald ändern. Ein angezogener Mann in einer Sauna fällt auf. Als ich mich umdrehe, ist die Tür nicht mehr da.
    Aber auf die kann ich getrost verzichten.

    Ich gehe durch die Wand. Eine russische Sauna ist ja eine feine Sache, aber mich interessiert etwas anderes. Etwas, das ich in der virtuellen Welt noch nie gesehen habe …
    Anscheinend bin ich jedoch schon wieder am falschen Ort gelandet. Ein finsterer, leerer Raum mit einer Reihe von Bottichen in der Mitte, in denen Wasser gluckert. An ihnen führt ein Fließband vorbei, aus Löchern in der Decke rieselt etwas in die Kübel, das wie Waschpulver aussieht.
    Das Ganze erinnert an eine abgefahren-automatisierte Waschküche aus einem Steampunk-Roman. Gerade als ich weitergehen will, neigt sich einer der Bottiche nach vorn und gießt seinen Inhalt aufs Fließband.
    Viel Dreckwasser und ein paar Kilogramm Geld.
    In meiner Verblüffung springe ich mit einem Mal aus dem virtuellen Raum, ohne dabei meinen Zweizeiler von der Tiefe zu murmeln.
    Auf den Displays des Helms waren nur Ziffern. Akkurate Zahlensäulen, Tabellen, unverständliche Codes. Ich nahm den Helm ab.
    Klar! Wozu sollte man den Prozess des Geldtransfers von einem Konto auf ein anderes denn auch grafisch darstellen? Von der Geldwäsche ganz zu schweigen. Das hatte lediglich mein schlaues Unterbewusstsein besorgt, das nun mal an Bilder gewöhnt war!
    Ich hatte wahnsinnige Kopfschmerzen. Ob ich die dem Deep-Programm in der Dauerschleife zu verdanken hatte? Oder bekam ich jetzt die Folgen der Überanstrengung zu spüren? Doch was spielte das schon für eine Rolle …

    Nachdem ich eine angebrochene Packung Analgin aus dem Schreibtisch gekramt hatte, inspizierte ich den Kühlschrank. Eine Dose Cola war noch da. Ich zerkaute die Tabletten und spülte sie mit der Coke runter. Du musst noch ein Weilchen durchhalten, mein armer Organismus! Denn uns steht noch einiges bevor!
    Ehe ich in die Waschküche zurückkehrte, guckte ich auf die Uhr: Viertel vor zwei mittags. Ich sollte was essen.
    Jetzt senken sich Bleuel in die Bottiche, um das Geld auszuschlagen. Übers Fließband wandern Dollar, Deutsche Mark und Rubel. Wie gebannt starre ich auf den endlosen Strom, hinter dem der Schweiß, vielleicht sogar das Blut von jemandem steckt.
    Was wohl passiert, wenn ich mir ein paar Millionen vom Fließband fische? Irgendwie bin ich mir sicher, dass sie auf mein Konto eintrudeln würden. Vielleicht würde ich ja, ohne es selbst zu merken, ans Intranet der Bank angeschlossen und über die Tastatur den Befehl für den Geldtransfer eingeben. Vielleicht würden die Rechner der Bank aber auch alle Operationen automatisch durchführen, einfach auf meinen mentalen Befehl hin.
    Denn ich bin nicht länger nur ein Dieb, der gegen die hypnotische Tiefe immun ist. Ich bin die Tiefe selbst. Ein Teil von ihr …
    Ich beuge mich vor und klaube einen Hundertdollarschein vom Band. Wahrscheinlich könnte ich mir sogar seine Nummer merken. Wahrscheinlich könnte ich es so einrichten, dass er in den Dokumenten der Bank niemals auf diesem Fließband gewesen ist.
    Alles ist jetzt möglich. Oder fast alles.

    Ich schnippe den Schein zurück aufs Band und gehe zur Wand. Ein Schritt noch – und die Welt trübt sich, fällt nach unten, verwandelt sich in einen Chip, in ein riesiges, in der Leere ausgebreitetes Blech. Ich fliege darüber hinweg und betrachte die Fäden der Straßen.
    Da unten ist mein Haus.
    Ich tauche zu ihm hinunter, bohre mich durch den Chip und spüre den Asphalt unter meinen Füßen. All das kostet mich keine Mühe, ich muss die Tiefe nicht mehr mit einem Zweizeiler beschwören, brauche sie nicht mehr zu bitten. Ich bitte ja auch meinen Körper nicht zu atmen!
    Vika und der Loser stehen vor dem Haus und unterhalten sich. Als Vika mich bemerkt, verstummt sie verwirrt.
    Winkend nähere ich mich

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