Labyrinth der Spiegel
den beiden. Doch da stürzt Vika schon auf mich zu.
10
Ich hantiere lange am Schloss herum, um die Haustür hinter uns abzuschließen. Da Vika immer noch meine Hand hält, muss ich alle Sicherheitsprogramme mit einer Hand starten, was ziemlich schwierig ist.
Schließlich ringe ich mich dazu durch, der Tür einfach mental zu befehlen, sich zu schließen. Im Schloss klackert etwas, danach leuchtet das Lämpchen der Alarmanlage auf. Der Loser reißt den Kopf hoch. Anscheinend hat er etwas gespürt.
»Was hat er mit dir gemacht?«, will Vika wissen. Erst jetzt, in der Sicherheit des Hausflurs, beruhigt sie sich. Vermutlich war es ein Fehler, nicht gleich zu ihr zu eilen.
»Das Deep-Programm«, antworte ich. »Er hat es in einer Dauerschleife über mich laufen lassen, so dass ich nicht mehr auftauchen konnte.«
Vika blickt finster drein, denn sie begreift, was das bedeutet.
»Ich habe es einfach nicht geschafft.«
»Aber wie …«
»Ich habe einen Umweg gefunden«, falle ich ihr mit einem Blick auf den Loser ins Wort. »Wie hat das von außen ausgesehen, Vika?«
»Dibenko hat etwas auf dich geworfen.« Sie versucht krampfhaft sich zu erinnern. »Eine Art Tuch oder so … Du hast dich darin verheddert. Es sah aus, als hätte dich ein sehr starkes Virus erwischt.«
»Was ist mit Romka?«
Vika sieht mich verständnislos an.
»Der Wolf. Das ist Romka, ein Diver und Werwolf. Mein Freund …«
»Dibenko hat ihn verbrannt. Mit Haut und Haar. Er hat ihn einfach bei der Kehle gepackt, und schon stand der Wolf in Flammen.«
Ich hülle mich in Schweigen. Wozu etwas sagen? Schließlich kommt es nicht darauf an, wie dieses Spektakel ausgesehen, sondern einzig und allein darauf, was das Virus in Romkas Kiste angerichtet hat. Ich bin immer davon ausgegangen, dass Romka nur einen genauso lahmen Rechner hat wie ich, vielleicht sogar ohne MO-Laufwerk. Schon bei einem etwas fieseren Virus dürfte er die ganze Software neu installieren müssen.
»Ljonja …«
Ich nicke nur. Für Mitleid fehlt uns die Zeit.
Aber eigentlich fehlt die immer.
»Gehen wir!« Ich nicke ihr und dem Loser zu. »Ich wohne im zehnten Stock.«
»Wer wohnt hier sonst noch?«
»Niemand. Im Moment jedenfalls nicht«, antworte ich, als ich mich in den Fahrstuhl zwänge. Ich drücke den Knopf,
es ruckt, und wir rumpeln nach oben. Vika entgleiten die Gesichtszüge. Sie hat wirklich Höhenangst. Selbst hier.
»Und früher?«
»Nun ja … irgendwie …« Ich bleibe vage. Die Fahrstuhltüren gleiten auseinander, wir gehen ins Treppenhaus hinaus. Der Loser sieht sich neugierig um.
»Das ist mein Palast. Herzlich willkommen!«, verkünde ich und schließe die Wohnungstür auf. Dann wende ich mich an den Loser: »Wie sieht es aus? Lädst du mich auch mal zu dir ein?«
Er nickt.
Vika geht als Erste rein. An der Schwelle zögert sie, als überlege sie, ob sie sich die Schuhe ausziehen soll. Doch ein Blick reicht, um zu verstehen: natürlich nicht.
»Rechts sind das Bad mit Klo und die Küche, links ist das Zimmer mit Balkon«, erkläre ich.
Vika linst ins Zimmer. Ihr Blick huscht über die verblassten Tapeten, bleibt am Computertisch hängen und wandert dann weiter zum Sofa, dem Kühlschrank und dem Schrank. Ich nehme an, sie ist enttäuscht. Wie sollte es auch anders sein?
»Schon komisch«, murmelt sie. Ich spüre, dass sie die Tiefe kurz verlässt, um sich mein Zuhause ungefiltert anzusehen.
Von mir aus. Allerdings kann ich selbst getrost darauf verzichten, ihr in Pixeln gegenüberzustehen.
»Komm mit!« Ich ziehe den Loser an der Hand fort. »Ich zeig dir, wie man Kaffee kocht.«
Daraufhin geht der Loser wortlos in die Küche, kramt zielsicher unter den Päckchen mit Kaffeepulver das teuerste und in dem Fall auch beste heraus, nimmt sich
eines der größeren langstieligen Kupfergefäße und – bewaffnet sich mit dem Salzstreuer.
»Schon kapiert«, bringe ich heraus.
»Auf Hunderten von Servern liegen Rezepte«, erklärt der Loser. »Vor fünf Minuten hat eine Frau aus Rostow ein weiteres ins Netz gestellt. Ein ziemlich interessantes. Ob wir es wagen, es auszuprobieren?«
Wie idiotisch von mir, darauf zu hoffen, dass ich ihm noch etwas beibringen kann – von der Fähigkeit, Menschen zu erschießen einmal abgesehen.
Ich hege jedoch den Verdacht, dass er überhaupt nicht imstande ist, sich dieses Können anzueignen.
»Nur zu«, ermuntere ich ihn und kehre ins Zimmer zurück. Vika sitzt auf dem Sofa und starrt aufs Bücherregal. »Da
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