Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Labyrinth der Spiegel

Labyrinth der Spiegel

Titel: Labyrinth der Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukianenko Sergej
Vom Netzwerk:
Unterbewusstsein sich den Akzent nicht ausgedacht hat. »Die Firma Litocomp hat die Ehre, Ihnen zu absoluten Tiefstpreisen …«
    Alles klar.
    Jetzt sehe ich ebenfalls zu dem Kiosk hinüber, dem Domizil des Moderators . In jedem Club gibt es jemanden, der auf Ordnung achtet und darauf, dass nur Gespräche zum erlaubten Thema geführt werden. Die alles entscheidende Frage ist nun, ob der Moderator vor Ort ist oder erst später reagieren wird.
    Er ist vor Ort.
    Die Tür seines Kiosks öffnet sich, und ein stämmiger Kerl mit einem riesigen, monströs aussehenden Apparat
in der Hand stapft gemächlich heraus. Der Balte bemerkt ihn und rattert los: »Festplatten von Quantum Lighting , Western digital  …«
    »Off-Topic!«, sagt der Moderator gedehnt, wenn auch mit einer gewissen Bosheit in der Stimme und legt die Waffe an. Alle Anwesenden verstummen und genießen das Schauspiel.
    Der Lauf vibriert, und auf den Händler fliegt pfeifend ein purpurrotes, funkelndes Kreuz zu. Der Balte will sich ducken, aber das bringt nichts. Moderatoren schießen nie daneben. Das Feuerkreuz oder Plus , wie es auch heißt, schwillt auf dem Hemd des Händlers an. Drei solcher Pluszeichen, und ihm ist der Zutritt zum Witze -Club für immer verboten.
    Die Menge johlt begeistert.
    »Was, wenn das der Anfang von einem Witz war?«, ruft jemand. Der Moderator droht ihm mit dem Finger, dann richtet er den Lauf erneut auf den Balten. Der gibt den vergeblichen Versuch auf, sich das leuchtende Plus vom Hemd zu reiben, springt von der Bühne und sieht zu, dass er wegkommt.
    »Mach ihn fertig!«, stachelt die Menge den Moderator an, doch der hat heute seinen großherzigen Tag. Er schiebt sich den Pluswerfer auf den Rücken und verschwindet wieder in seinem Kiosk, der aussieht wie ein Klo auf einer Datscha.
    »Litocomp«, murmelt meine Nachbarin nachdenklich. »Mal hören, was die verlangen. Ich brauch nämlich ’ne neue Festplatte.«
    Na bitte, kann der Händler doch einen Erfolg verbuchen.

    Der nächste Witzbold betritt die Bühne. »Kommen Puh der Bär und Ferkel …«
    Langweiliger geht’s nicht.
    Warum bloß sind Witze über den Agenten Stierlitz und Puh den Bären in der virtuellen Welt derart beliebt? Das muss irgendein psychologischer Defekt sein …
    »Danke fürs Bier«, verabschiede ich mich von der Frau, stehe auf und verlasse den Park.
    Ich habe zwar keine schlechte Laune, bin aber in einer merkwürdigen Stimmung. Ich schlendere an den Clubs vorbei. Durch die vergitterten Fenster der Kampfkünste ist ein schmächtiges, asiatisches Kerlchen zu sehen, das irgendwelche komplizierten Bewegungsabläufe vorführt. Im Freilichtkino Filme gestikuliert ein imposanter Hüne wild vor der Leinwand. »Schrott!«, höre ich den Typen sagen. »Dieser Film ist absoluter Schrott!«
    Wie einfallslos ihr alle seid!
    Vielleicht haben die Tjuriner Recht. In der virtuellen Welt parodieren wir doch lediglich das reale Leben.
    Aber Parodien sind nie besser als das Original. Außerdem ist ihre Aufgabe eine ganz andere: Sie verspotten, führen uns die Banalität und Unzulänglichkeit des Originals vor Augen.
    Aber im Grunde sind wir außerstande, die Welt zu ändern. Deshalb entbehrt diese Parodie hier jeden Sinns. Sie ist kein Sprung nach vorn, sondern nur ein Schritt zur Seite.
    »Vika!«
    »Ja, Ljonja.«
    »Ruf mir ein Taxi!«

    »Wird gemacht.«
    Vielleicht sollte ich doch besser durch die Stadt fahren. Oder einen Vergnügungspark aufsuchen.
    Der Wagen des Deep-Explorers hält vor mir, ich öffne die Tür und steige ein. Der Fahrer ist ein Typ, mit dem ich noch nie gefahren bin. Ein bärtiger Kerl in zerrissenem Muscle-Shirt und mit Tattoos auf beiden Oberarmen. Will der einen auf Knastbruder machen, oder was?
    »Das Taxi ist gleich da«, teilt mir Vika mit.
    In dem Moment wird mir bewusst, dass der Fahrer sich die traditionelle Begrüßungsfloskel geschenkt hat – und wir bereits fahren, obwohl ich noch gar keine Adresse genannt habe.
    »Von hier gibt es nur einen Weg«, klärt mich der Typ auf und dreht sich grinsend zu mir um. Er hat eine Narbe auf der Wange und verfaulte Zähne. Das ist kein Programm, natürlich nicht, das ist ein richtiger Mensch.
    »Halten Sie an!«
    »Das darf ich nicht«, kanzelt mich der Kerl ab und fährt völlig cool weiter.
    Das ist ja eine starke Nummer!
    »Vika! Austritt aus dem virtuellen Raum!«, befehle ich.
    Eine Antwort bleibt aus.
    »Dein tolles Programm hört dich nicht mehr«, weiht mich der Fahrer ein. »Mach

Weitere Kostenlose Bücher