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Labyrinth der Spiegel

Labyrinth der Spiegel

Titel: Labyrinth der Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukianenko Sergej
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einfach keine Mätzchen, ja? Das ist für alle Beteiligten besser.«
    Von einer VR-Entführung habe ich noch nie gehört.
    »Wer sind Sie?«
    Der Bartträger grinst bloß.

    Klar, mir steht ein Fluchtweg offen. Einer, den ein Durchschnittsbewohner Deeptowns nicht nehmen kann.
    Ich könnte selbstständig aus der Tiefe auftauchen und die Verbindung manuell trennen.
    Nur was, wenn sie gerade darauf aus sind? Wenn sie wollen, dass ich mich als Diver oute. Und was, wenn ich hier im Taxi die Verbindung kappe – könnte das Transportprogramm meine Telefonverbindung dann zurückzuverfolgen?
    Warum bin ich bloß ausgerechnet heute über meine Hauptadresse, über die mich jeder Dilettant identifizieren kann, hergekommen?
    »Was wollen Sie von mir?«
    Der Fahrer ignoriert meine Frage. Gleichzeitig behält er mich fest im Blick, mustert mich mit der Neugier eines Jägers, der gerade einen Feuervogel abgeschossen hat.
    »Du hast es nicht anders gewollt«, sage ich und versuche, keine Panik zu kriegen, als ich den Revolver ziehe.
    Sechs Schuss, sechs verschiedene Viren. Eine schwache Waffe, aber ich hoffe auf die Vielfalt der Ladung. Vielleicht sprenge ich damit den Schutz des Entführers ja doch.
    Drei Kugeln gehen glatt durch ihn hindurch, schlagen nirgendwo ein. Ein gutes Antiviren-Programm, das den Computer perfekt abschirmt. Eine Kugel wird zerquetscht und landet auf dem Boden. Das Virus ist vernichtet. Zwei Patronen kann ich gar nicht erst abfeuern, sie krepieren direkt in der Trommel.
    So viel also dazu.

    Ohne allzu große Hoffnung ziehe ich dem Kerl daraufhin den Griff der Waffe über den Schädel. Auch das ist ein schwaches Virus, das simple Programme wie den Deep-Explorer recht zuverlässig ausknockt. Doch wieder nichts. Logisch.
    »Sitz lieber still!«, rät mir der Fahrer, der beobachtet, wie ich an den Griffen der Tür herumfummle. Da sowieso alles fest verschlossen ist, gebe ich auf.
    Okay, am Ende würde es nicht schaden, etwas mehr Informationen in Erfahrung zu bringen.
    Wir fahren weiter, und ich versuche noch einmal, mich mit Vika in Verbindung zu setzen. Das klappt nicht, die Stimmsteuerung ist blockiert.
    Tiefe, Tiefe, ich bin nicht dein …
    Die Displays des Helms zeigten das Innere des Taxis. Nicht schlecht! Der Sportwagen war eindeutig als Lancia zu erkennen.
    Ich legte die Finger auf die Tastatur, gab einige Befehle ein und bestätigte sie.
    Das funktionierte.
    Deep.
    Enter.
    Ich bin wieder im Taxi. Der Fahrer sieht mich nervös an. Ich drehe den Revolver gedankenversunken in der Hand. Er ist jetzt wieder geladen. Und meine Tasche birgt eine Granate.
    »Hast du die Datei?«, will der Fahrer wissen.
    Jetzt ist es an mir, den Taubstummen zu mimen.
    »Würd mich mal interessieren, wie du da rangekommen bist.«

    »Du solltest eins wissen, mein Freund: Sobald ich keine Kugeln mehr habe, wird das Magazin automatisch nachgeladen.«
    In meiner Stimme liegt die Selbstzufriedenheit des kleinen Hackers. Die Geschichte könnte stimmen. Und dass mein Computer dem Revolver eine Portion neuer Viren überspielt hat, enttarnt mich keineswegs als Diver.
    »Verschieben wir die Schießerei auf später, ja?«, schlägt der Kerl vor.
    Ich zucke vage die Schultern.
    »Wir sind da«, informiert mich der Typ, um mich von etwaigen Dummheiten abzuhalten.
    Das Taxi hat in der Tat bereits vor einem Gebäude gehalten, das ich nicht kenne. Ein grauer Würfel ohne Fenster. Die einzige Tür ist ziemlich breit, fast wie bei einer Garage, und so auffällig gepanzert, als wolle sie signalisieren: Hier kommst du nicht ohne weiteres rein. Hinter solchen Türen verstecken sich entweder banale Lager von Konsumgütern oder exklusive Appartements.
    »Dann wollen wir mal«, murmelt der Fahrer.
    Ich hülle mich in Schweigen.
    Der Bartträger tritt wortlos aufs Gaspedal, worauf der Wagen förmlich vor die Tür springt. Eine Sekunde vor dem Zusammenstoß gleitet die Tür zur Seite und lässt uns ein.
    Es ist tatsächlich ein Lager.
    Regale an den Wänden, Kartons mit den bunten Etiketten bekannter Marken. Unmengen guter Ware. Das muss die Dépendance eines Zwischenhändlers oder, was wahrscheinlicher ist, ein Lager von Dieben sein.

    Die Türen des Taxis sind bereits entriegelt. Von nun an übernehmen die Wände dieses Raums die Aufgaben des Autos. Nach wie vor erreiche ich Vika nicht.
    »Und?«, frage ich, als ich aus dem Lancia steige. »Wie weiter?«
    Der Fahrer stiert auf einen Punkt hinter mir. Obwohl es ein uralter Trick ist, drehe ich mich

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