Labyrinth der Spiegel
Schauspieler auf die Lady in Ketten. Sollen sie sich amüsieren, die armen Seelen.
Das rosafarbene Album. Lesben? Mhm …
Nein, einfach nur zwei Frauen mit herausfordernden Blicken. Die eine kniet, die andere stützt sich auf ihre Schulter und bannt mich mit ihrem Blick. Nein, nein, nein. Nicht heute. Nicht nach vierzehn Levels im Labyrinth. Da bleibt mir nur schön vom Leibe! Aber langweilen werdet ihr euch bestimmt trotzdem nicht, das hab ich im Gespür.
Das braune Album. Meine Fantasie versagt, ich muss es aufschlagen.
Eine Greisin in schlabberigem Kittel.
Mein Gott, die haben hier wirklich was für jeden Geschmack! Von Neugier gepackt reibe ich mit dem Finger übers Foto. In die Greisin kommt Leben. Sie lächelt
kokett, fängt an zu tanzen, setzt die Beine in kleinen Trippelschritten voreinander und knöpft den Kittel auf.
Sag mal, Oma, tickst du nicht mehr richtig?
Ich klappe das Album zu und packe es oben auf das rosafarbene. Dann breche ich in Lachen aus. Der Security-Typ in der Ecke schielt zu mir herüber, sagt aber keinen Ton. »Hat die auch … Kunden?«, kann ich mir nicht verkneifen zu fragen.
Ich tippe mit dem Finger auf den braunen Samt. Der Typ deutet ein Nicken an.
Das lilafarbene Album. Während ich es hin und her drehe, versuche ich vergeblich, mir etwas dafür einfallen zu lassen. Vorsichtig schlage ich die erste Seite auf. Ob mich da Opas erwarten?
Ein Zicklein.
Ich meine: eine Ziege. Eine junge. Ein weißes Tier mit kurzen, spitzen Hörnern.
Inzwischen krieg ich nicht mal mehr ein Lachen zustande. Da du eine Ziege nicht in den virtuellen Raum bringst, muss ein Admin oder ein Programm hinter dem Ding stecken – der oder das die sexuellen Stereotypen einer jungen, geilen Ziege imitiert.
Komm, Oma, melk die Ziege!
Es bleiben noch drei Alben, das weiße, das grüne und das gelbe. Als ich das weiße aufschlage, rechne ich fest mit Elfen, Engeln und ähnlich ephemeren Erscheinungen. Aber nein, es sind ganz normale Frauen. Auf der ersten Seite strahlt ein bekanntes Topmodel im Abendkleid von Pierre Cardin.
Okay, das Kleid können wir später ja nochmal einer genaueren Prüfung unterziehen. Ich wiege das grüne Album in der Hand. Was fehlt noch an erotischen Fantasien? Klar! Kinder! Ich klappe das Album auf. Richtig. Ein minderjähriger Millionär, ein Schauspieler und Liebling alternder Hausfrauen. Hilf der Oma, die Ziege in Zaum zu halten, mein Junge!
Das gelbe Album. Auch diesmal liege ich richtig. Das Gesicht des Mädchens kommt mir vage bekannt vor, wahrscheinlich ist es ebenfalls eine Schauspielerin. Eine atemberaubende Umgebung, ein Strand, der sich bis zum Horizont zieht, im Licht der untergehenden Sonne. Statt sich zu sonnen, sollte das Mädchen lieber einen Eimer frische Ziegenmilch in die Hütte tragen.
Nachdem ich mich nun köstlich amüsiert habe, spendiere ich mir ein Glas Wein. Ich nicke in Richtung des Stapels mit den ausgefallenen Partnern, worauf der Security-Typ alle Alben bis auf das weiße wortlos an sich nimmt und rausträgt.
Vielleicht hätte ich mir den Band mit den Tieren ja doch genauer ansehen sollen. Ob es da, jeweils in der weiblichen Variante, junge Krokodile und reife Schwäne wie Madame gibt? Falls nicht, würde es auf Bitte des Kunden vermutlich sofort arrangiert werden. Sei es nun eine grüne Krake oder ein Pitbull-Welpe.
Nun nehme ich mir wieder das weiße Album vor und bringe ein paar Frauen dazu, einen Strip hinzulegen. Die Auswahl ist umwerfend. Die Filmstars und Mannequins sind bald zu Ende, ihnen folgen weniger bekannte Gesichter. Unbekannte, aber attraktive Gesichter.
Ich gebe der Neugier nach und schlage die letzte Seite auf.
Ein weißes Blatt und die Aufforderung: »Zeichnen Sie Ihr Glück!«
In der Tat, dieses Etablissement verlässt niemand unbefriedigt.
Rasch blättere ich das ganze Album durch. Um sich nackte Schönheiten anzusehen, die sich mal bewegen, mal nicht, musst du schließlich nicht in der Tiefe hocken, da gibt es weniger teure Möglichkeiten.
Eine Afrikanerin in Lendenschurz, eine Eskimofrau im Pelz, eine Koreanerin auf einer Bastmatte, eine Polynesierin mit Nasenring. Der virtuelle Raum kennt keinen Rassismus.
Ich blättere noch schneller. Eine Seite, die nächste, die dritte …
Vika.
Wie vor den Kopf geschlagen starre ich auf die Frau, die mir jeden Morgen zulächelt.
100
Madame kehrt lautlos wie ein Gespenst zurück und setzt sich neben mich. »Soll ich Ihnen noch Wein nachschenken, Revolvermann?«, erkundigt
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