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Labyrinth der Spiegel

Labyrinth der Spiegel

Titel: Labyrinth der Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukianenko Sergej
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Loser schon seit gut dreißig Stunden aus. Trotzdem mache ich in der Tonart weiter: »Wir ruhen uns aus, essen etwas und dann brechen wir auf. Du brauchst keine Angst zu haben, ich passe auf dich auf.«
    Ich nehme die Gasmaske ab, denn in dieser Etappe ist die Luft ziemlich sauber, und hole den Beutel mit dem Essen heraus. Der Loser kriegt ein dickes Sandwich und eine Dose Limo. Virtuelles Essen enthält zwar keine Nährstoffe, intensiviert aber die Munterkeit, die man in der Tiefe zu spüren meint.

    Ich beiße von meinem Brot ab, kaue und sehe Loser an. Der sitzt mit dem Sandwich in der Hand da. O nein, es wird kein Zuckerschlecken, ihn hier rauszuholen.
    Wenn ich doch bloß einen Tag früher gekommen wäre!
    »Iss doch was!«, fordere ich ihn auf. Ich strecke die Hand aus und nehme ihm die Gasmaske ab. Das Gummi hat ein rotes Oval auf seinem Gesicht hinterlassen, ansonsten sieht er aber gesund aus. Ein junger blonder Mann, nur die Augen sind etwas müde und leer. »Na komm, iss!«, dränge ich ihn.
    Er führt das Sandwich an den Mund und beginnt langsam zu kauen. Na bitte! Und jetzt schön ein Häppchen für Mama, ein Häppchen für Papa, ein Häppchen für den Onkel Diver. Was, wenn er wirklich ein Kind ist?
    »Ich heiße Revolvermann. Und du?«, frage ich ihn. Loser antwortet nicht, er ist zu sehr mit seinem Brot beschäftigt. »Wie alt bist du?«
    Diese Frage ist eine echte Beleidigung, denn im virtuellen Raum sind alle gleich. Wenn Loser auch nur die geringste Erfahrung in Deeptown hat, dann durfte ich mit einer gepfefferten Antwort rechnen!
    Aber er schweigt.
    Er ist echt eine harte Nuss.
    Andererseits wartet ja auch kein schlechter Preis auf mich. Und diesen Preis würde ich nicht mal für die vom Labyrinth ausgesetzte halbe Million hergeben. Den Orden der Allmächtigkeit kannst du nicht kaufen – wäre das möglich, wäre er wertlos.
    »Geht es dir jetzt besser?«, erkundige ich mich. Loser nickt. »Prima. Dann steh auf!«

    Als er folgsam aufsteht, gebe ich ihm seine Pistole zurück. Im dreiunddreißigsten Level hat diese Waffe einen rein symbolischen Charakter, vor allem in seinen Händen. Dafür fühlt sich der Loser jetzt sicherer, hoffe ich jedenfalls.
    »Und jetzt gehen wir«, fordere ich ihn auf. »Ganz langsam und ruhig.«
    Ich Idiot!
    Ich habe den Schnapperdämon vergessen, der hinter der Ecke lauert. Ich habe vergessen, wie Guillermo ihn mir gezeigt hat. Stattdessen marschiere ich am Gitter der Achterbahn vorbei wie bei einer Parade.
    Der Dämon ist entzückt, packt mich mit seinem überlangen Arm und wirft mich in die Luft. Er sieht aus wie ein Baumstumpf, dem Fangarme gewachsen sind, wobei der Stumpf vermutlich von einem Baobab stammt. In der Mitte sitzt ein Mund voll scharfer Zähne, aus dem Baumfuß wächst eine kräftige, siebengliedrige Pfote, die mich jetzt durch die Luft schwenkt, durchknetet und zu einem mundgerechten Fleischbällchen formt.
    Die Pistole des Losers knallt ein paarmal, als er auf das Monster feuert. Ich hänge in der Luft und kann mich über seine seltsame Haltung nur wundern: Er hat den Oberkörper nach hinten gebeugt und die Schultern zurückgerissen, die Pistole hält er in der linken Hand.
    Mit so einer Waffe tötest du keinen Dämon.
    Trotzdem hört die Pfote plötzlich auf, mir die Rippen zu brechen und erschlafft, so dass ich aus drei Meter Höhe direkt in das gierig aufgerissene Maul falle.

    Glücklicherweise ist das Monster inzwischen außerstande zu kauen und zu schlucken. Als ich wieder aus dem stinkenden Schlund herausklettere, gebe ich mir alle Mühe, mir die zehn Zentimeter langen Zähne nicht allzu genau anzusehen. An ihnen heften Fetzen von Kleidung. Nicht von meiner, wohlgemerkt.
    Ich bin förmlich in Spucke gebadet. Die ihrerseits brutzelt auf meiner kugelsicheren Weste. Nachdem ich mich mit gelben, vertrockneten Grasbüscheln abgerieben habe, gehe ich zum Loser. Der ist schon wieder völlig entkräftet und schwach, in ihm steckt allem Anschein nach kaum noch Leben.
    »Danke«, murmele ich. Sobald ich das MedKit auf den Arm lege, klickt es und verspritzt seine Medizin, dann löst es sich auf. Mich hat’s ordentlich erwischt.
    »Keine Ursache«, antwortet der Loser leise, aber klar. Nach dieser Aktion, nachdem er den Dämon bloß mit einer Pistole erledigt hat, will der Name so gar nicht mehr zu ihm passen.
    Andererseits ist theoretisch alles möglich. Die Macher des Labyrinths haben wiederholt erklärt, jedes Monster könne mit einer Pistole oder

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