Labyrinth der Spiegel
Spielern.
»Hast du 97 am Moskauer Doom-Turnier teilgenommen?« , will er wissen.
»Nein.«
»Trotzdem kenne ich deine Taktik«, behauptet Damir.
Wir trinken unser Bier. Ehrlich gesagt, bin ich froh, dass die Stammspieler vom Labyrinth sich auf den Waffenstillstand eingelassen haben. Wenn ständig die ganze Meute auf mich losginge, würden mich auch meine Diver-Fähigkeiten nicht retten.
Nach und nach füllt sich der Raum. Von irgendwoher taucht ein Kerl mit einer Gitarre auf, ein dunkelhäutiger Typ mit langen Haaren. Er lächelt verlegen, winkt und watet in das grüne Zeug hinein. Die Flüssigkeit zischt unter seinen Füßen. Er macht es sich auf einem Stuhl, der auf einem kleinen Betonsockel steht, bequem und stimmt mit aller Sorgfalt die Gitarre. Ich winke ihm ebenfalls zu, auch wenn er mich nicht im Körper des Revolvermanns kennt. Der Typ ist eine Legende in der Tiefe , ein Hacker alter Schule, obendrein ein Liedermacher. Wir sind uns schon lange nicht mehr über den Weg gelaufen. Normalerweise tritt er in den Drei kleinen Schweinchen auf, an denen er, glaubt man den Gerüchten, sogar einen kleinen Anteil hält. Da ihm das Labyrinth eigentlich egal ist, können wir uns alle glücklich schätzen, ihn heute zu erleben. Er streicht sich die Haare aus der Stirn und fängt an zu singen:
Es ist nass und kalt, klasse, einfach toll,
Sauwetter und Nebel, alle Schleusen offen!
Trotzdem grinse ich, weiß Gott, was das soll,
Die Stadt und ich, wir sind vom Nebel besoffen.
Die Frau klopft im Takt mit der Hand auf den Tisch, das Bier fließt in Strömen. Ich lerne alle kennen und bitte Vika vorsichtshalber, ihre Gesichter und Namen zu speichern. Im allgemeinen Lärm schüttelt mir ein Typ lange die Hand und pappt mir dabei einen einfachen Marker auf die Schulter. Ich tu so, als hätte ich es nicht bemerkt, umarme den Kerl in einer Gefühlsaufwallung – und gebe ihm bei der Gelegenheit den Marker zurück.
Such, Lamer, such!
Ich pflüg durch den Nebel wie durch die See
Wer weiß, vielleicht bin ein Schiff ich, vielleicht ein Wal.
Ich seh vor meinen Augen nur Pulverschnee.
In den Algenbäumen tut sich was, mit einem Mal.
Die Stimmung ist bestens, alle sind zufrieden, selbst der ach so gerissene Lamer.
Die Töne kenn ich nicht, hab sie vergessen,
Erinner mich an kein einziges Wort.
Will nur den Nebel in meinen Kopf reinpressen,
Falls es genug Platz gibt – dort.
Ich habe diesen berauschenden Nebel bereits ganz in mich hineingepresst. Deshalb erhebe ich mich und lächle den Spielern zu. »Ich muss los.«
Niemand fragt, warum, niemand überredet mich zu bleiben. Der Aufenthalt in der Tiefe ist schließlich kein billiges Vergnügen. Als ich mich zwischen den
Tischen hindurchzwänge, pfeifen die Würfel über mich hinweg, platzen und spucken ihre Monster aus. Es kostet mich einige Anstrengung, nicht in Deckung zu gehen.
Mir bleiben noch fünf Stunden, in denen sich die Diver des Labyrinths um den Loser kümmern. Aber aus irgendeinem Grund bin ich mir sicher, dass sie ihn nicht rausholen werden.
Ich biege in eine Gasse ein und bleibe stehen.
Tiefe, Tiefe, ich bin nicht dein …
Nachdem ich den Helm abgenommen hatte, ging ich als Erstes zum Kühlschrank und nahm mir eine Limo, Wurst und einen Joghurt. Ich musste was essen.
Auf dem Bildschirm war alles ruhig. Der Revolvermann stand an eine Mauer gelehnt da, die wenigen Leute, die an ihm vorbeiliefen, achteten nicht auf ihn. Gerade huschte irgendein Männlein in die Vergnügungen jeder Art hinein.
»Aber nicht zu Vika!«, rief ich ihm hinterher.
»Das habe ich nicht verstanden, Ljonja«, antwortete mir Windows Home.
»Macht nichts«, sagte ich mit gesenktem Blick. »Ist alles in Ordnung.«
Mit einem Mal wurde ich nervös. Was, wenn tatsächlich jemand zu dieser anderen, der virtuellen Vika ging? Bei der Vorstellung, wie ich den inexistenten Puff zerlegte, musste ich grinsen.
Trotzdem schlang ich mein Essen jetzt hinunter.
»Ljonja«, sagte Vika, »ich muss dich an deine monatlichen Pflichten erinnern.«
»Dann mal los!«, brummte ich.
»Du musst deine Eltern anrufen«, fing Vika tadelnd an aufzuzählen. »Ich kann wählen, aber dafür brauche ich eine freie Leitung.«
»Nein.«
Das war natürlich mies von mir, aber ich wollte sie lieber erst am Abend anrufen.
»Dann sind die Miete und sämtliche anderen Kosten für die Wohnung zu bezahlen.«
Das sollte ich in der Tat nicht auf die lange Bank schieben. Wenn mir das Telefon abgestellt
Weitere Kostenlose Bücher