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Labyrinth der Spiegel

Labyrinth der Spiegel

Titel: Labyrinth der Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukianenko Sergej
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würde …
    »Danke.«
    »Und die Wohnung ist aufzuräumen.«
    Ich sah mich rasch um. Ja, der Boden müsste mal gewischt werden. Staubwischen könnte auch nicht schaden. Und die Heizung mit dem rostigen Ausfluss sollte ich gelegentlich streichen.
    »Danke, Vika, wird erledigt.«
    »Davon abgesehen möchte ich dich abermals darauf aufmerksam machen, dass mein Arbeitsspeicher häufig nicht ausreicht, um die mir gestellten Aufgaben zu bewältigen.«
    »Klappe!«
    Ich legte die Finger auf die Tastatur und fegte mit dem Ellbogen den leeren Joghurtbecher vom Tisch, damit er mich nicht störte.
    Deep.
    Enter.
    Ich löse mich von der Mauer und betrete das Bordell durch die Glastür.

    Madame kommt mir entgegen. »Sie kommen früh heute, Revolvermann.«
    »Dafür bleibe ich nicht lange.«
    Madame lächelt, streckt die Hand aus und berührt meine Wange.
    »Hauptsache, Sie verdrehen meinen Mädchen nicht den Kopf, Revolvermann.«
    »Ich werde mir alle Mühe geben«, antworte ich im Ton eines braven Jungen.
    Madame nickt, scheint aber nicht sonderlich überzeugt. Sie wendet sich dem Security-Typen zu. »Bring ihn zu den Privatzimmern. Zu Vika.«
    »Danke«, sage ich erleichtert. Madame winkt nur müde ab und geht zur Treppe, die in den ersten Stock hochführt. Der Security-Typ deutet auf die kleine Tür, neben der er steht.
    Einigermaßen verlegen folge ich ihm.
    Geradewegs ins Herz des Puffs.
    Ein sauberer Gang, durch die Fenster sehe ich einen sommerlichen Wald, einen Fluss und die strahlende Sonne. Ach nee! Hatte Madame nicht gesagt, bei ihnen sei immer Abend? Aber es lechzen nun mal alle nach Sonne, was will man da machen?
    Im Gang reiht sich Tür an Tür, an denen jedoch weder Nummern noch Namen stehen, sondern Bilder befestigt sind. Junge Katzen, Hunde, Mäuse und Hasen, fast wie im Kindergarten. Aus einer der Türen schießt plötzlich eine halbnackte Blondine heraus, kreischt auf, bedeckt ihre Brust theatralisch mit beiden Händen und stürzt zurück.

    Ich versuche, eine steinerne Miene zu wahren. Hinter den Türen raschelt es, als ich an ihnen vorbeigehe. Wenn ich mich jetzt umdrehe – da bin ich mir sicher –, würde ich ein Dutzend neugieriger Gesichter sehen, die den Gang hinunterspähen.
    Deshalb drehe ich mich nicht um.
    Der Security-Typ bleibt vor einer Tür stehen, an der das Foto einer kleinen schwarzen Katze hängt, und klopft an.
    »Ja?«
    »Ein Besucher«, sagt der Security-Typ.
    »Er soll reinkommen.«
    Der Mann klopft mir leicht auf die Schulter und entfernt sich. Ein paar Frauen fragen ihn an halboffener Tür etwas im Flüsterton, er schweigt jedoch eisern.
    Unter dem amüsierten Blick der Katze trete ich ein.
    Das Zimmer sieht aus wie das Innere einer Berghütte. Durch das offene Fenster weht in Böen kalter Wind herein. Ein Fluss tost. Vika sitzt auf einem einfachen Holzstuhl vorm Fenster und betrachtet ihr Gesicht in einem kleinen Spiegel. Auf einem grob gezimmerten Tisch neben ihr türmen sich die neuesten Kosmetikartikel.
    »Hallo!«, begrüßt sie mich. »Setz dich, ich bin gleich fertig.«
    Ich nicke, bleibe aber stehen und sehe mich um. An den Wänden hängen Aquarelle, unbekannte Werke, die fast ausnahmslos Berge, Nebel und Kiefern zeigen. Auf den ersten Blick sehen sie alle gleich aus, Schmierereien, gedacht für den schnellen Verkauf. Aber als ich genauer hinschaue, nicke ich zustimmend. Das ist nicht einfach hingerotzt, das ist ein Zyklus.

    »Wie würdest du sie nennen?«, fragt Vika, ohne sich zu mir umzudrehen. Braucht sie ja auch nicht, schließlich hat sie ihren Spiegel.
    »Ich weiß nicht«, gebe ich zu. »Ich habe immer Probleme, Titel zu finden. Wie wär’s mit …?«
    Ich gehe an der Wand lang und berühre vorsichtig die Rahmen. Mal mehrere Berge, mal nur einer, aber aus unterschiedlichen Perspektiven, gehüllt in dicke Nebelschwaden und mit kiefernbestandenen Hängen. Morgendliche Kälte und trockene dünne Luft. Der Bach plätschert, der Wind rauscht – als ob das Bild in der Lage sei, die Geräusche wiederzugeben.
    »Labyrinth«, komme ich irgendwann zu einem Schluss. »Ich würde es Labyrinth der Spiegelbilder nennen.«
    Vika zieht ihre Lippen nach. »Könnte passen«, erwidert sie. »Hauptsache, es klingt unverständlich. Dann verkaufen sich die Bilder besser.«
    »Sind das deine?«
    In den letzten Tagen steh ich echt auf der Leitung.
    »Ja. Hättest du mir das nicht zugetraut?«
    »Doch. Aber ich habe gedacht, du hast sie nur aufgehängt, weil sie dir gefallen.«
    »Ihr

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