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Labyrinth der Spiegel

Labyrinth der Spiegel

Titel: Labyrinth der Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukianenko Sergej
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sehen durfte«, erkläre ich. »Das zeigst du doch nicht jedem, oder?«

    »Nein. Was ist, krieg ich deine Arbeit auch mal zu sehen?«, erkundigt sich Vika lächelnd. Ich zucke zusammen. »Du hast gesagt, dass du dir keine Titel ausdenken kannst. Also musst du auch designen.«
    Habe ich mich also auch verplappert. Und genau wie Vika hatte ich es nicht bemerkt.
    »Ich zeichne schon lange nicht mehr«, gestehe ich. »Das hat sich so ergeben. Vielleicht ist das sogar besser, denn im Grunde habe ich dafür kein Talent. So was wie das hier würde ich nie hinkriegen.«
    Vika widerspricht nicht mal der Form halber. Sie kennt den Wert ihrer Arbeit.
    »Ich würde dich gern in ein Restaurant einladen, weißt du«, sage ich. »Wenn du einverstanden bist.«
    »Nein.«
    Ich komme mir ziemlich angespuckt vor. Dabei bin ich mir sicher gewesen, dass Vika die Einladung annehmen würde, dass ihr die Drei kleinen Schweinchen gefallen und dass wir am Fluss stehen würden, denn auch wenn ich diese Landschaft nicht designt habe, mag ich sie.
    »Verstehe«, sage ich.
    »Gar nichts verstehst du. Es liegt nicht an den Kunden, außerdem ist es sowieso gerade etwas ruhiger, und die Mädchen könnten mich vertreten. Nein, ich lade dich ein. In unser Restaurant.«
    Jetzt blicke ich wirklich nicht mehr durch, nicke aber dennoch. Vika mustert mich kurz und zupft den Kragen meines Hemdes zurecht.
    »Das geht«, stellt sie fest. »Dann komm!«

    »Ist es weit?«
    Vika lächelt bloß und nimmt eine kleine waschlederne Tasche vom Tisch. Als wir den Gang hinuntergehen, bemerke ich, dass die Türen diesmal nicht neugierig geöffnet werden.
    »Wir sind gleich da.«
    Wir halten uns an den Händen wie wohlerzogene Kinder bei einem Spaziergang. Der Gang endet vor einer Wendeltreppe, die wir nach oben steigen. Ich zähle sieben Wendungen, bevor ein schwerer Samtvorhang uns den Weg versperrt. Mir schießt der Gedanke durch den Kopf, der Raum sei umgestülpt und wir kämen jetzt ins Foyer im Erdgeschoss.
    »Wundere dich über nichts«, empfiehlt mir Vika und geht voraus.
    Ich folge ihr in der tiefen Gewissheit, dass ich ihre Bitte erfüllen werde.
    Vor uns liegt ein Strand.
    Der Sonnenuntergang taucht den Himmel in orangefarbenes und goldenes Licht. Das Meer atmet müde und streichelt das Ufer. Der Sand unter unseren Füßen ist schwarz, der Strand funkelt in der gleichen Farbe. Ich weiß, dass es solche Strände gibt – ich hätte nur nie gedacht, dass sie derart schön sind.
    Am Strand stehen unter Sonnenschirmen weiße Tische, an ihnen sitzen Menschen. Richtige Menschen, keine programmierten Hülsen, das spüre ich gleich. Vor allem Frauen, nur an dem Tisch, der dem Meer am nächsten ist, sitzen zwei muskulöse Männer. Und an dem langen Bartresen lehnt ein hagerer Typ in Shorts.

    »Das ist unsere Recreation Area «, erklärt mir Vika. »Suchen wir uns ein hübsches Plätzchen!«
    Wir setzen uns an einen freien Tisch. Vika beugt sich zu mir. »Hier gibt es nur Selbstbedienung. Würdest du zur Bar gehen und mir einen Sekt holen?«
    Durch den Sand watend mache ich mich davon. Drei Männer und zwanzig Frauen beobachten mich. Die ganze Szenerie wirkt völlig absurd, als ob ein fürchterlicher Taifun über den Strand getobt sei und sämtliche Häuser und Hotels weggefegt, einen Teil der Strandbar aber verschont hätte. Der Eindruck wird durch die Tür mit dem Samtvorhang, durch die wir gekommen sind, noch verstärkt: Sie steht völlig allein im schwarzen Sand.
    »Hallo!«, begrüßt mich der Typ an der Bar und streckt mir die Hand hin.
    Automatisch schüttle ich sie.
    »Vika mag trockenen Sekt«, weiht er mich ein. »Aber nimm keinen französischen, nimm lieber Abrau-Durso, der ist links unter der Bar. Du bist zum ersten Mal hier? Zumindest habe ich dich noch nie gesehen. Heute ist nichts los, da sind alle Mädchen hier. Die werden sich deinetwegen das Maul zerreißen!«
    Er rattert mit dem Eifer Robinsons los, der gerade Freitag getroffen hat. Obendrein verfügt er trotz einiger fehlender Zähne über eine beeindruckende Mimik.
    »Du gefällst mir«, teilt er mir mit und kratzt sich den Bauch, der sich nach einem Sonnenbrand schält. »Echt, du gefällst mir total! Ha, ha! Hast du jetzt Schiss? Nein, ich arbeite hier nicht, das heißt, ich arbeite schon hier,
aber nicht so. Den beiden da am Wasser, denen wirst du wahrscheinlich nicht bloß so gefallen!«
    Ich versteh nur noch Bahnhof, ringe mir ein klägliches Lächeln ab, entnehme einem Kühler mit Eis eine

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