Labyrinth der Spiegel
alle retten können. Ich habe ihm damals irgendein Märchen von einer CD mit einem raubkopierten Spiel aufgetischt, mit der ich mir das Virus eingefangen hätte.
Doch wenn schon diese Rowdys meinen Rechner derart hatten zurichten können, wollte ich lieber nicht daran denken, was die Jungs aus Al Kabar auf Lager haben.
Die Tür fällt schwer hinter mir ins Schloss. Der Raum liegt im Dunkeln. Ich muss mich vorwärtstasten, gleichzeitig stößt mich jemand von hinten. Alles klar. Die haben meinen Verbindungskanal total verengt. Damit ich ja keine Überraschung mitanschleppe. Und das geht eben nur auf Kosten des Sehmodus.
»Halt!«, befiehlt einer der Fuzzis hinter mir. Ich bin ein braver Junge und schlage hier Wurzeln.
Für alle um mich herum stehe ich wahrscheinlich im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, was mich nicht gerade begeistert, logisch.
»Sie haben die Frechheit besessen, noch einmal hierherzukommen, Iwan?«
Ich erkenne Urmanns Stimme wieder. Genauer gesagt, den Tonfall seines Übersetzers. Als ich mich umdrehe, gebe ich mir alle Mühe, meine blinden Augen nicht aufzureißen. »So haben wir es doch vereinbart.«
»Ach ja?«
»Sie haben mir die Datei freiwillig überlassen und verlangt, dass ich Sie noch einmal aufsuche.«
Es folgt eine Pause. Eine lange Pause. Ich sage die Wahrheit – weshalb Urmann sich in einer beschissenen Lage befindet. Was es doch für ein Genuss ist, bei der Wahrheit zu bleiben. Und wozu auch lügen? Es gibt so viele Wahrheiten in der Welt, dass jede Lüge überflüssig ist.
»Was wollen Sie?«
»Ich? Nichts. Sie waren es, der mich um dieses Treffen gebeten hat, deshalb nehme ich an, dass Sie etwas wollen.«
Eine weitere Pause. Natürlich hat Urmann nicht erwartet, dass ich noch einmal bei ihm aufkreuzen würde, nachdem er versucht hat, meine Identität zu knacken. Deshalb füge ich vorsichtshalber noch hinzu: »Sie können sich übrigens jeden Versuch sparen, meinen Verbindungskanal zu eruieren. Sonst verschwinde ich gleich wieder.«
Das Schweigen wird allmählich unerträglich. Ich stelle mir vor, wie Urmann seinen Security-Leuten zunickt: Na los! Macht ihn endlich fertig!
»Stellt seinen Verbindungskanal ohne Einschränkung wieder her«, befiehlt er jedoch. »Und stellt die Sondierung ein!«
Gleißendes Licht. Ich kneife die Augen zusammen und sehe mich mit halbgeschlossenen Augen um. Düstere massive Wände, oben ein Gitter, winzige Fenster aus Spiegelglas, mitten im Raum ein Tisch und Stühle.
»Das ist der Konferenzraum«, erklärt Urmann. Er trägt einen streng geschnittenen Anzug und Krawatte. Wahrscheinlich passt sich seine Kleidung automatisch der Umgebung an. Von solchen Sachen habe ich schon gehört. »Hier tagt der Aufsichtsrat und finden verschiedene Sitzungen statt.«
Schon kapiert. Das ist der am besten geschützte Ort im gesamten virtuellen Raum des Konzerns. Im Klartext: Von hier entkommst du nicht so leicht wie aus der Laube.
Abgesehen davon würde eine Flucht wohl schon daran scheitern, dass ich völlig unbewaffnet bin.
»Lasst uns allein!«, erteilt Urmann einen weiteren Befehl.
Die Security-Fuzzis gehorchen aufs Wort.
»Vielen Dank, Friedrich«, sage ich.
Urmann nickt schweigend und nimmt auf einem der Stühle Platz, ich auf dem daneben.
»Sie haben … den Apfel verkauft?«, erkundigt sich Urmann.
»Ja, nochmals Dank dafür.«
»Freut mich für Sie.«
Anscheinend ist er überhaupt nicht wütend auf mich – was wiederum meine Alarmglocken schrillen lässt.
»Ich hoffe, der Konzern kann den Verlust verkraften?«
»Oh, gewiss, keine Sorge.«
Ich sehe Urmann fragend an.
»Beim letzten Mal habe ich vergessen, Ihnen mitzuteilen, dass diese Wundermedizin einen entscheidenden Nachteil hat«, erklärt Urmann. »Eine Nebenwirkung. Wir haben das rein zufällig entdeckt … Ich nehme an, dass Herr Schöllerbach und die TransPharm-Group ihn nicht bemerken werden.«
Mir wird mulmig.
»Keine Sorge, Diver, es gehört nicht zu Ihren Pflichten, eine Medizin auf ihre Verträglichkeit zu testen«, beschwichtigt mich Urmann grinsend. »Im Übrigen kann hier nicht von tödlichen Folgen die Rede sein. Das Produkt ist zudem weder krebserregend noch führt es zu
Fehlbildungen beim ungeborenen Kind. Trotzdem werden die Patienten unzufrieden sein.«
Keine Frage, Al Kabar hat sich gut abgesichert. Was für einen Nebeneffekt kann ein Erkältungsmittel wohl haben? Grünfärbung der Haut? Impotenz? Verglatzung? Doch Urmann rückt nicht mit der Sprache
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