Lachen mit Tränen in den Augen (German Edition)
traurig war. Und da war noch ein anderes Gefühl. Eine Enge in ihrer Brust. Und ein Ziehen in ihrem Unterleib. Sie kam sich vor wie ein Junkie auf Entzug. Sie konnte nur noch daran denken. Dass sie mit ihm zusammen sein wollte. Dass sie sich sexy, schön und begehrenswert fühlen wollte.
Was war bloß los mit ihr?
Sie war doch nicht mehr fünfzehn. Aber genauso fühlte sie sich. Total verknallt.
Warum löste Mark nicht diese Gefühle in ihr aus? Sie liebten sich. Immer noch. Und mehr denn je. Sie schenkten sich Wärme. Geborgenheit. Vertrauen. Trost. Und einen festen Halt. Warum reichte ihr das nicht mehr? Was suchte sie bei Tim?
Und er bei ihr?
Zwanzig Jahre mit Mark ... zwei Tage mit Tim ...
Plötzlich hatte sie Tränen in den Augen, und sie stammten nicht vom scharfen Wind. Tim zog sie näher zu sich heran und drückte seine Lippen an ihr Haar. Mit dem Finger unter ihrem Kinn drehte er ihr Gesicht zu sich herum. Er sah sie an, und sie schloss die Augen, weil sie die Tränen wegblinzeln musste. Sie wartete auf den Kuss. Aber stattdessen ließ Tim sie los, wandte den Blick ab und atmete tief durch.
Shainee sah wieder nach vorn. »Wir sind gleich da.«
Er sagte nichts, aber seine Hand glitt wieder unter ihr flatterndes Shirt. Und sie genoss die Berührung, so wie er.
Mark sah auf die Uhr. Kurz nach halb drei ...
In Tahiti war es zwei Stunden früher. Shainee wartete vermutlich gerade am Gate auf das Boarding des Fliegers nach Moorea.
Eben hatte Mark mit dem Handy die Website des Airports in Faaa gegoogelt: tahiti-aeroport.pf . Er hatte ihren Flug gecheckt: Er war pünktlich. Jetzt scrollte er das Display nach unten. Okay, da stand die Nummer von Air Tahiti.
»Bonjour, Madame. Ich würde gern mit Mrs Shainee Ryker sprechen. Sie fliegt in einer halben Stunde nach Moorea. Es handelt sich um einen Notfall.«
»Oui, Monsieur. Un moment, s’il vous plaît!«
»Merci, j’attends ...«
Trotz der Fahrgeräusche des Lexus konnte er das Klappern der Tastatur hören. Dann ein Rascheln, als das Telefon wieder in die Hand genommen wurde.
»Monsieur? Es tut mir leid. Madame Ryker hat ihren Flug gestern Abend gecancelt.«
»Was?« , fragte Mark fassungslos. »Aber ...«
»Bitte verzeihen Sie, Monsieur, mein Englisch ist nicht ...«
»Schon gut. Ihr Englisch ist ausgezeichnet. Merci.«
»Gern geschehen. Salut.«
Besorgt beendete er das Gespräch.
Wieso hatte Shainee umgebucht? Was war geschehen?
Auf der Brücke über den Bayshore Freeway, der San Francisco mit San José verband, musste er plötzlich scharf bremsen, weil die Ampel auf Rot schaltete. Beinahe wäre er in den neongelben Porsche vor ihm gekracht, so verwirrt war er.
Wo steckte Shainee, wenn sie nicht nach Moorea flog?
Das Handy klingelte. Es war ihr Bruder. »Mark, wo bist du?«
»Ich bin in Redwood City. Hayden, warte mal kurz ...« Mark schob das Handy in die Freisprechhalterung, weil sich vor ihm die Holly Street von zwei Spuren auf eine verengte. »Okay, da bin ich wieder. Lexie hatte einen Surfunfall.«
»Wie geht’s ihr?«, fragte Hayden besorgt.
»Ihr Freund hat sie bewusstlos aus dem Wasser gerettet«, presste Mark hervor. »Er fährt sie ins Sequoia Hospital in Redwood City. Ich bin auf dem Weg dorthin. Mein Navi sagt: vier Meilen, zehn Minuten.«
»Kann ich was tun?«
»Ruf Shainee an.«
»Ihr Handy funktioniert aber nicht.«
»Ich hab’s gerade am Airport versucht, aber dort ist sie nicht. Sie hat gestern Abend ihren Flug gecancelt.«
»Aha.« Hayden klang verwirrt. »Und wieso?«
»Keine Ahnung.«
»Du machst dir Sorgen.«
»Du nicht?«
»Okay, ich ruf mal im Resort auf Moorea an. Shainee hat mir eine Mail mit ihren Reisedaten geschickt. Ich muss nur mein Notebook aus dem Rucksack holen ...«
»Melde dich.«
»Yup.«
Mark beendete das Gespräch und konzentrierte sich wieder auf den Verkehr. Genervt überholte er einen langsam fahrenden Mercedes, dann bog er nach links in den El Camino Real, der Meile um Meile nach Süden führte. Der niedliche alte Bahnhof von 1888 huschte vorbei, Geschäfte, Parkplätze, Tankstellen, Motels, Supermärkte.
Okay, der Navi zeigte an, dass er nach rechts in die Whipple Avenue abbiegen musste. Hier irgendwo war der McPappschachtel, wo Lexie heute Morgen ihren ›Stoff‹ zum Frühstück besorgen wollte. Bald wurde es grüner: Mark fuhr durch ein Wohngebiet mit Gärten und Pools, parkenden Autos und umgekippten BMX-Rädern am Straßenrand. Kurz darauf hatte er das
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