Lackschaden
Leben Prioritäten setzen, und das ganze Programm ist mir zeitlich doch zu anspruchsvoll.
»Es lohnt sich, das Geld auszugeben, das bringt sexuell gesehen richtig was«, bewirbt Kati ihr Brazilian Waxing. »Wer heute unten rum zottelig rumläuft, kriegt im Leben keinen Kerl mehr ab. Die rennen ja schreiend weg. Der Siegmar würde nie mit einer was anfangen, die nicht rasiert ist!«
Das spricht eigentlich sofort gegen eine Rasur. Siegmar gehört nun wirklich nicht in mein Beuteschema. Einerseits. Andererseits, wenn schon Siegmar ein solches Anforderungsprofil hat – ein Mann, der mit Trends und Ähnlichem sonst ja offensichtlich gar nichts zu tun hat –, dann wird es mit den anderen auch schwierig. Das könnte mir theoretisch egal sein, aber sollte Christoph im Schlafzimmer weiterhin wie sediert sein, muss ich mir eventuell Alternativen suchen. Ich kann doch nicht mit Mitte vierzig meinen endgültigen Abschied vom Sexleben einläuten. Das wäre wirklich erbärmlich und auch irgendwie traurig.
»Ich kann euch jederzeit die Adresse geben. Die Gaby macht das irre gut. Ratsch, ratsch und weg ist das Fell. Und es hält ne Weile, und wenn ihr sagt, dass ihr meine Freundinnen seid, kriegt ihr auch sofort einen Termin. Die ist sonst total ausgebucht«, bietet Kati an.
Schöne Offerte, aber jetzt muss ich mich erst mal profaneren Dingen wie dem Mittagessen widmen. Das geht auch unten mit.
Es herrscht allgemeine Aufbruchsstimmung. Alle verabschieden sich und beteuern wie ungeheuer spannend es war.
Unser Haus ist noch da. Keine Einbrecher zu sehen. Auch kein Rudi weit und breit. Gut, die kleine Busreise zum Baumarkt und zurück wird ihn schon ein paar Stunden beschäftigen.
Ich mache Grüne Soße, Eier und Kartoffeln. Das wird für die Mal-Wieder-Vegetarierin schon gehen. Mein Sohn schaufelt sowieso alles in sich rein. Ohne großen Kommentar. Die Zeiten, in denen meine Kinder in Ekstase über ein Mittagessen ausgebrochen wären, sind lange vorbei. Mittagessen gehört zu den Standarddienstleistungen einer Mutter. Die müssen weder erwähnt, noch gedankt werden.
Mark kommt als Erster nach Hause. Ist mir jedes Mal rätselhaft, wieso meine Kinder in unterschiedlichen Bussen von der Schule nach Hause kommen, selbst dann, wenn sie zur gleichen Zeit Schulschluss haben.
»Und wie war dein Tag?«, frage ich freundlich bei meinem Sohn nach.
»Wie immer«, brummt es zurück, der Ranzen fliegt neben den Werkzeugkasten, und Mark ist weg.
»Es gibt gleich Essen!«, schreie ich ihm, wie jeden Tag, hinterher.
Ich finde mich schon selbst langweilig. Öde. Aber ansonsten habe ich ja auch kaum Neuigkeiten zu verkünden. Denn mit Sicherheit möchte Mark nicht mit seiner Mutter über die neusten Schamhaartrends oder die Sexfrequenz seiner Eltern sprechen.
Zehn Minuten später kommt auch meine Veganerin nach Hause. Sie nickt mir zu, hat wie immer ihre Kopfhörer auf und ihr kunstvoller Smokey-Eye-Look geht inzwischen fast bis zu den Wangenknochen.
»Was gibt’s zu essen?«, knurrt sie mir entgegen.
»Grüne Soße!«, antworte ich, und gnädig lässt sie sich am Tisch nieder. Auch Mark erscheint.
»Wo ist Opa?«, fragt er. »Ausgezogen?«
Ich erkläre die Situation. Mark will keine Grüne Soße.
»Die ganzen komischen Kräuter hängen mir dann in den Brackets, außerdem ist die so grob gehackt, da sieht man das alles noch so! Diesen Kräuterkram«, lautet sein bestechendes Argument.
»Sind da etwa Eier drin?«, will Claudia wissen.
»Natürlich sind da Eier drin. Das ist Frankfurter Grüne Soße, da gehören Eier rein!«, gebe ich bereitwillig Auskunft.
Muss ich jetzt demnächst noch die Inhaltsstoffe auflisten und den Kindern zur Genehmigung vorlegen?
»Eier ess ich nicht!«, sagt sie und nimmt sich Kartoffeln.
»Die ist aber sehr gesund!«, stellt der pädagogische Teil in mir fest.
»Quark, Joghurt, Eier und Mayo! Mann, ich bin Veganerin, das hab ich dir doch gesagt! Hörst du mir eigentlich nie zu?«, keift sie los.
Ich würde ihr die gesamte Grüne Soße am liebsten über den Kopf schütten. Die Vorstellung macht mir Spaß, der Gedanke, die Schweinerei nachher wieder aufzuwischen, leider weniger.
»Ich will auch nur Kartoffeln!«, bestimmt mein Sohn. »Kriegen wir jetzt kein Fleisch mehr, weil die keins isst?«, erkundigt er sich dann besorgt.
»Die« sagt nur »Arschloch«, und ich weiß wirklich nicht, wie ich das noch jahrelang aushalten soll.
»Übrigens, Mama, ich sehe keine Zukunft mehr für mich in der
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