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Lackschaden

Lackschaden

Titel: Lackschaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fröhlich
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die Schule!«, steigt Christoph gleich voll ein.
    »Richtig! Das hat sie ganz richtig verstanden«, antwortet Claudia. Sofort beginnt Christoph mit einer längeren Ansprache rund um Abitur, Berufschancen, sozialen Abstieg bei mangelnder Ausbildung, Hartz Vier und so weiter. Er redet sich richtig in Rage und endet mit den Worten: »Das kommt überhaupt nicht in Frage. Ende der Diskussion.«
    Diskussion? Mit wem hat er denn da diskutiert? Mit sich selbst?
    »Ich will aber nicht mehr. Es bringt mir nichts«, bemerkt Claudia seelenruhig und fügt hinzu: »Ich wusste, ihr versteht mich eh nicht.«
    Das finde ich ein wenig unfair, schließlich habe ich noch kein Wort zu der Sache gesagt – aber bitte sehr.
    »Wie stellst du dir denn dein Leben vor?«, versuche ich es mit einer konstruktiven Frage.
    »Ich mach ne Ausbildung, zieh aus und verdiene mein eigenes Geld!«, kommt es blitzschnell. Claudia scheint vorbereitet.
    »Was willst du denn für eine Ausbildung machen?«, versuche ich so entspannt wie möglich zu klingen. Christoph schnaubt nur noch. Claudia ignoriert das.
    »Keine Ahnung, vielleicht Hebamme oder was mit Mode oder Schminke oder so!«
    Christoph sieht aus, als würde er gleich hyperventilieren.
    »So einen Quatsch habe ich lange nicht mehr gehört. Das ist ja völlig unausgegorener Schwachsinn. Du machst Abitur. Ohne geht gar nichts. Das solltest selbst du wissen.«
    Jetzt meldet sich Rudi zaghaft zu Wort.
    »Sei mal net ganz so arrogant, Christoph. Hab isch Abitur? Kann mer aach ohne glücklich wern? Natürlisch. Also, spiel dich net so uff!«
    Für Rudis Verhältnisse war das drastisch. Aber verständlich. Rudi hat kein Abitur. Christoph ist entsetzt, jetzt fällt ihm sein eigener Vater, der zurückhaltende Rudi, in den Rücken.
    »Da verstehst du nichts von, Papa. Das waren andere Zeiten. Heute ist alles schwieriger. Ohne Abitur geht gar nichts mehr. Außerdem Claudia: Ich will doch nur dein Bestes.«
    Der Klassiker: Ich will doch nur dein Bestes. Der Satz, der immer dann zum Einsatz kommt, wenn die Argumente ausgehen. Ich kenne niemanden, der diesen Spruch von seinen Eltern noch nicht gehört hat. Aber ich kann mich gut daran erinnern, wie der Satz bei mir angekommen ist. Gar nicht. Weder inhaltlich noch sonstwie. Ich habe immer nur gedacht: Ihr habt doch keine Ahnung! So was von keine Ahnung.
    Ich überlege fieberhaft. Und das mit meinem Nach-Pilz-Kopf, der mich anscheinend irgendwie milde stimmt.
    »Wie wäre es mit einem Kompromiss. Nächste Woche beginnen die Ferien, du gehst arbeiten und guckst, wie dir das Leben als Berufstätige gefällt?«
    Wenn ich so weitermache, kann ich die Supernanny ablösen, so verständig und einfühlsam wie ich heute bin. Quasi taktische Kriegführung. Claudia verzieht das Gesicht.
    »Wo soll ich denn arbeiten? Es sind doch Ferien, da will ich ausschlafen, und wir fahren doch auch weg?«
    »Kein Arbeitnehmer hat sechs Wochen Ferien. Außer du wirst Lehrerin, aber dafür brauchst du Abitur. Also kannst du dich schon mal dran gewöhnen, wie das dann so ist. Dein Bruder fährt drei Wochen ins Fußballcamp, und in den drei Wochen kannst du arbeiten gehen«, kontere ich blitzschnell.
    Christoph nickt. Mark lacht.
    »Viel Spaß!«, sagt er nur und kichert in sich rein.
    Claudia hebt den Arm und will ihm ein paar knallen.
    »Nein«, sage ich nur, »lass es.«
    Rudi streicht Claudia über den Arm: »Is doch gar kaane so schlechte Idee. Emal testarbeite. Da siehst de dann, ob der das liegt oder ob de liebä noch en bisschen in die Schule gehst, Herzschen.«
    Claudia sieht aus, als würde sie gleich losheulen.
    »Ihr kapiert gar nichts. Und ihr versaut mir die Ferien! Mit Absicht!«, schluchzt sie. »Wo soll ich denn überhaupt arbeiten?«
    Christoph ist kein bisschen beeindruckt von der Schluchzerei.
    »Tja, mein Frollein, so machen wir es. Da hat deine Mutter mal einen guten Vorschlag gemacht. Vielleicht verstehst du dann, dass Schule auch ein Privileg ist. Kinder in Afrika wären froh, wenn sie in die Schule gehen dürften. Oder in Indien. Die knüpfen Teppiche, rund um die Uhr.«
    Was für ein Argument. Ähnlich wie das mit dem Teller leer essen und den Kindern, die froh wären, überhaupt was zu essen zu haben … Inhaltlich natürlich nicht ganz falsch, aber Afrika und Indien sind weit weg, vor allem für Teenager.
    Dazu die Bemerkung: Da hat deine Mutter mal einen guten Vorschlag gemacht. Mal! Als wäre das ein erwähnenswertes Ereignis.
    »Ich bin aber kein Kind aus

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