Lackschaden
und dann so was. Aber dir kann man es ja kaum recht machen.«
Er schmollt beleidigt. Christoph ist Anwalt, das merkt man seiner Argumentation an. Gar nicht erst auf die Argumente der Gegenseite eingehen, sondern lieber gleich eine neue Baustelle aufmachen.
»Mal im Ernst, Christoph, was soll ich denn da?«, frage ich noch mal nach. Das muss er doch verstehen. »Ich dachte wir zwei machen uns mal ein paar schöne Tage, nur für uns, so wie früher, ausschlafen, essen und, na ja, was sonst noch so dazugehört.«
Natürlich habe ich an Sex gedacht. Endlich mal Zeit für Sex. Aber wer, wie ich, so lange keinen mehr hatte, ist schon vor dem eigenen Mann gehemmt und spricht das kleine Wörtchen mit den drei Buchstaben nicht mal mehr aus.
Er schaut verständnislos: »Ja, aber das können wir doch alles machen. Und, Andrea, mal ehrlich, aus dem Wir-Gucken-In-Den Sonnenuntergang-Alter sind wir ja nun wirklich raus!«
Da war er – der Todesstoß für alles, was Christoph für irgendwie romantisch hält. Wie die meisten Männer denkt er, wenn das Wort Romantik fällt, nur an Sonnenuntergang. Was anderes kommt ihm bei dem Thema gar nicht in den Sinn. Wenn er angestrengt nachdenken würde, käme er eventuell noch auf ein Abendessen bei Kerzenschein oder eine Bootsfahrt unter Sternenhimmel. Fertig.
Für mich, an sich, kein Drama. Ich gehöre auch nicht zu den Menschen, für die Romantik lebenswichtig ist. Eigentlich halte ich Romantik sogar für überschätzt. Aber ich hatte auch überhaupt nicht an Romantik gedacht – es ging mir um Sex. Wilden, aufregenden, hemmungslosen Sex. Allein der Gedanke! Ich kann mich wirklich kaum erinnern. Aber angeblich ist es mit dem Sex ja wie mit dem Fahrradfahren – wenn man einmal weiß wie’s geht, dann verlernt man das nicht mehr.
»Christoph, es geht mir weniger um Sonnenuntergänge, ich will einfach mal wieder Sex.« So, jetzt ist es raus.
»Ja, dann sag es doch gleich!«, antwortet Christoph und schmunzelt. »Das sollte neben dem Golfkurs kein Problem sein. Die Zeit nehme ich mir.«
Wie freundlich von ihm. Ein bisschen mehr Begeisterung hätte mir auch gut getan. »Die Zeit nehme ich mir« – das ist ja wohl eine grausige Bemerkung. Es geht schließlich um Sex. Um Sex mit mir! Und nicht darum, den Müll raus zu bringen. Oder sollte das jetzt ironisch sein? So oder so, ich würde am liebsten verschwinden. Oder die Reset-Taste drücken. Zurück auf Anfang. Nur, wie weit müsste ich mein Leben zurückspulen? Was würde ich verändern? Welche Entscheidung anders treffen?
»Jetzt freu dich halt, der Club ist schön, du kannst dich doch auch mal massieren lassen!«, schlägt er mir vor.
Wie großzügig. Während er stundenlang Golf spielt und übt, darf ich mich mal massieren lassen.
»Oder mach doch einen Schnupperkurs im Golfen. Und stell dir vor, man kann auch Seidenmalerei lernen!«
Das fehlt mir ja zu meinem Glück noch. Seidenmalerei. Ich habe gewisse Vorurteile gegen Seidenmalerei. Vielleicht, weil sich mein Maltalent in sehr überschaubaren Grenzen hält und ich bisher auch noch kein bemaltes Seidentuch gesehen habe, das ich mir, nicht mal im Vollrausch, umgehängt hätte.
Was denkt Christoph von mir? Wie wenig kennt er mich nach all den Jahren? Oder sollte das womöglich ein Witz sein, und ich habe es nur nicht kapiert?
»Weder Golf noch Seidenmalerei!«, sage ich deshalb nur streng.
»Dann legst du dich einfach schön in die Sonne oder lernst tauchen!«, macht er munter weiter.
Tauchen? Ich? Ich, die niemals den Kopf freiwillig unter Wasser tauchen würde. Die sich beim Schnorcheln anstellt. Eine wahnwitzige Idee. Da würde ich sogar eher noch Seidentücher bemalen. Ich möchte keinesfalls im Detail sehen, was da unter mir im Meer so alles lebt. Danach könnte ich womöglich nie mehr unbeschwert einfach so in den Wellen planschen. Das sollte Christoph nach all den Jahren doch wissen!
Interessiert er sich überhaupt für mich? Hat er mir je zugehört? Mir Aufmerksamkeit geschenkt?
Wer tut das überhaupt?
»Wir werden sehen«, sage ich deshalb so verbindlich wie irgendwie möglich. »Ist die Reise denn schon fest gebucht, oder kann man da noch was machen?«, will ich doch wissen.
Er mustert mich entgeistert: »Das war ein Top-Angebot vom Golfclub. Selbstverständlich ist alles gebucht, wir fahren in der zweiten Woche und haben sogar eine Option auf Verlängerung!«
»Na, dann packe ich mir am besten ausreichend was zu lesen ein!«, ist mein abschließender
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