Lacrima Nigra (Phobos) (German Edition)
Hüften und hob sie hoch. Ich stemmte sie in dieses leuchtende Fünfeck des Himmels und begann sie langsam zu drehen. Die Sonnenstrahlen fluteten um sie herum. Monvera schien zu leuchten. Ihre Haare lösten sich, fielen ihr in gewellten Strähnen ins Gesicht und über die Schultern. Ob sie schön war, hätte ich nicht sagen können. Abenteuerlich sah sie aus, wie eine Frau, die ihre Geheimnisse zu wahren wusste.
Als ich sie auf den Boden setzte, zog sie sich mit einer anmutigen Bewegung das schwarze Seidentuch aus den Haaren. Spielerisch schlang sie es um meine Handgelenke und zog es fest an. Sie sah mir in die Augen, wie um in ihnen zu lesen, ob ich einverstanden war. Ich war es, und sie sah es. "Seltsam", dachte ich noch. "Gerade habe ich meine Fesseln verloren. Und schon lasse ich mir wieder neue anlegen?" Monvera legte mir die Fessel an, noch nicht einmal im eigentlichen Sinne eine magische, nur ein Seidentuch. Sie hatte mich gefesselt, und ich war einverstanden gewesen mit. Das passte zum feudalen Japan. Die Beziehung zwischen dem Samurai und seinem Herrn basierte auf absolutem Gehorsam. Das konnte nur klappen, solange die Samurai damit einverstanden waren und bis in den Tod den Befehlen der Herren folgten. Aber wieso war Monvera meine Herrin?
Die Tage im Schloss vergingen wie im Traum. Es beherbergte eine ungeheure Zahl von Zimmern mit völlig verschiedenen Einrichtungen, faszinierend schön, teuer, wertvoll. Aber die Seele des Ganzen war sie, Monvera.
Eines Tages, wir frühstückten gerade im Musikzimmer, erschallte Hufgeklapper vom Hofe her.
"Das ist Chain!", rief Monvera. Sie lachte, erhob sich und eilte zu den Ankommenden. Ich sah aus dem kleinen Fenster in den Innenhof. Dort wartete eine wilde Reitergesellschaft. Ein starker, dunkelhaariger, sehr schmuck gekleideter Samurai hielt einen gesattelten Schimmel am Zügel dicht neben seinem eigenen Pferd. Monvera kam aus dem Schloss gelaufen, winkte den Jagdgesellen flüchtig zu, sprang auf den Schimmel und mit irrem Hufgeklapper stoben sie alle vom Hof. Die Jagd begann.
Ich war allein. Die plötzliche Stille im Schloss legte sich wie ein Sack mit Steinen auf meine Schultern. Ich wartete Stunde um Stunde. Was mich sonst zu erheitern pflegte, die Vögel in den Volieren, die alten und ganz sicher wertvollen Gemälde, die reich beschnitzten Möbel, selbst der Gedanke, dass ich jetzt allein hätte ausreiten können, sogar die vorzüglichen Gerichte, die mir die schweigsamen Köche der Schlossküche gewiss auf mein Geheiß hin bereitet hätten, schienen mir schon in der Vorstellung unattraktiv und schal.
So wartete ich, schob im Schachzimmer gedankenverloren Schachfiguren hin und her, zupfte im Musikzimmer an der Laute herum, entlockte ihr aber nur misstönende Klänge, wanderte ruhelos in die Bibliothek, fand ein Gedichtbändchen mit zarten Versen aufgeschlagen auf dem Lesepult. Ohne große Konzentration blätterte ich darin herum. Schließlich zog ich mich voller schlechter und beunruhigender Gefühle ins Schlafzimmer zurück. Ich spürte meinen Puls jagen. Gerade die schönen und anregenden Erinnerungen, die mit diesem Raum verbunden waren, erwiesen sich jetzt als Geiseln, die meinem Herzen von einer bislang unerkannten bösen Macht genommen worden waren. Verlust drohte mit hohler, gespenstischer Maske.
Nach geschlagenen sechs Stunden stand Monvera wieder vor mir. Ich freute mich wie irrsinnig. Aber gleichzeitig wusste ich auch tief in meinem Herzen, dass es nie mehr so sein würde wie in den unbeschwerten Tagen zuvor. Von nun an würde ich unsere Zeit, die wir miteinander verbrachten, als bemessene Zeit sehen.
Monvera war wieder sehr zärtlich zu mir. Draußen zog ein Sturm auf. Es wurde frühzeitig dunkel. Plötzlich hörte ich deutlich Wölfe heulen. In mir regte sich etwas, was ich bis dahin nicht gekannt hatte.
"Ich glaube, ich habe Lust, mir das da draußen einmal anzusehen", sagte ich zu Monvera.
Sie sah mich irritiert an: "Was denn, bei diesem Wetter? Hier drin ist es doch so schön gemütlich und warm und..." Sie vollendete den Satz nicht, sondern ließ mich wieder ihre verlockende Zärtlichkeit spüren. Ich ging nicht auf ihre Wärme ein, sondern erwiderte: "Ich bekomme Lust zu ... kämpfen."
Monvera sah mich an wie ein Wesen von einem anderen Stern. "Kämpfen!? Das ist doch nichts für dich." Während sie sprach, schlang sie wieder ihr schwarzes Seidentuch um meine Handgelenke und fuhr fort: " Das ist doch nichts für dich, dazu bist du doch
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