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Lacrima Nigra (Phobos) (German Edition)

Lacrima Nigra (Phobos) (German Edition)

Titel: Lacrima Nigra (Phobos) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Schuck
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rechten Bein blitzschnell in den Magen. Als er zusammenklappte wie ein Taschenmesser, landete ich mein linkes Knie an seiner rechten Schläfe. Sofort griff ich nach meinen eigenen Waffen, zog Kurz und Langschwert dicht nacheinander, so dass es fast wie eine einzige Bewegung aussah. Ich durchbrach mit zwei Finten den mich umschließenden Kreis der Ronin. Erst jetzt war ich ein ernstzunehmender Gegner, den die Ronin respektierten. Sie zogen sich einige Schritte zurück, um sich zu beraten. Ich ließ ihnen dazu keine Zeit. Zum ersten Mal in meinem Leben griff ich bewusst an, ließ alle Regeln der Fairness hinter mir. Wolfszeit. Angst und Wut durchrasten meine Adern wie glühende Lava. Diesen Kampf wollte ich gewinnen um jeden Preis. Auf alles was verletzlich schien, schlug ich mit aller Kraft ein, meine Waffen fanden immer wieder Ziele, auch solche, die in keinem Lehrbuch verzeichnet sind. Ich richtete ein unbeschreibliches Gemetzel an.
    Plötzlich zogen sich die zwei übriggebliebenen Ronin zurück. Vielleicht hatte die Härte der Verluste sie schockiert, vielleicht waren sie nicht weiter bereit, einen so hohen Preis für einen kleinen nächtlichen Spaß zu zahlen. Diesen Rückzug nutzte ich und kam fast ungesehen in den Wald. Mochten dort auch Wölfe lauern, würde es schlimm für die Wölfe werden. Heute war ich nicht zu schlagen. Zum ersten Mal in meinem Leben war ich bereit, die Waffen einzusetzen, mit denen ich umzugehen gelernt hatte.
    Es wurde Zeit, mich wieder aus dieser Figur meiner Vergangenheit zu lösen. Denn ich spürte deutlich, dass ich sie inzwischen mit größerer Lebensenergie füllte als den Marvin der Gegenwart. Marvins Körperfunktionen gingen gegen Null. Mein Atem verlangsamte sich, mein Herz schlug höchstens noch alle fünf Sekunden, die Körpertemperatur sank unaufhaltsam weiter. Ich hatte schon von Menschen gehört, die nach Tagen einer Wanderung durch Schnee und Eis plötzlich allen Schmerz und allen Überlebenswillen vergaßen, sich einfach in den Schnee legten, einschliefen und starben. So ähnlich ging es mir jetzt. Ich hatte alles gesehen, was ich sehen wollte, hatte durchgehalten, alle Angst ertragen. Süße Müdigkeit durchrieselte meinen Körper wie ein sanftes Gift. Aber bevor es mich in den Tod lullen konnte, riss ich mich hoch. Marvin hatte noch einiges zu erledigen.
     
    20. November.
    Louisa hat ihre private Beziehung zu Günter beendet. Ich weiß nicht recht, was den Ausschlag in ihr gegeben hat. Ob er doch nicht so nett ist, wie sie dachte, ob sie Schwierigkeiten hat, ihn mit mir, bzw. umgekehrt, zu vereinbaren, ob sie unsere Beziehung letztlich doch nicht gefährden will? Oder ob sich an mir etwas verändert hat, wodurch es ihr nicht mehr angeraten erscheint, mir gegenüber ihren Kopf durchzusetzen.
    Ich weiß nur von mir, dass ich Louisa im Weiteren nicht mehr ungeschützt gegenüberstehe. Nicht als Schoßhündchen. Ich fühle mich nicht mehr gefesselt.
     

Krank
    Mit lässigen, jedoch sehr regelmäßigen Bewegungen zog Norbert in dem menschenleeren Schwimmbecken seine Bahnen. Norberts Körper wirkte jugendlich und geschmeidig. Seine Bewegungen strahlten die Sicherheit des sportlich trainierten Menschen aus. Eine letzte Lage Rückenschwimmen, dann zog er sich mit elegantem Schwung über den Beckenrand aus dem Wasser.
    Die Uhr über dem Ausgang der Schwimmhalle zeigte 17.30. Norbert blieb noch eine halbe Stunde Zeit, um sich für das Abendessen im Speisesaal des Sanatoriums umzuziehen. Kraftvollen Schrittes eilte er den Duschen zu, ließ sich das warme Wasser mit hartem Strahl auf die Haut prallen und sang ein altes englisches Liebeslied.
    Er sang die Worte fröhlich, geradezu aus vollem Halse, mit jener heiteren vitalen Traurigkeit, die ihm inzwischen so sehr zu Eigen geworden war.
    Die Dusche nebenan schien ebenfalls benutzt zu werden. Obwohl es Norbert etwas wunderte, denn er hatte im Schwimmbad nicht bemerkt, dass jemand die Dusche betreten hätte. Er stellte seine Brause ab. Das Wasser in der Nachbarkabine lief unvermindert weiter. Norbert stand auf den Fliesen, sah an sich herab und verfolgte mit seinem Blick die letzten an seinem Körper herabrollenden Wassertropfen. Zwei Schritte vor seinen Füßen schimmerten ihm zwei dunkelrote Tropfen entgegen, glitzerten wie geschliffene Blutsteine. Das Wasser lief an Norberts Beinen herunter, strömte über den weißen Boden und löste die beiden roten Tropfen auf. Das Wasser färbte sich rosa, strömte zum Abfluss und war

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