Lacunars Fluch 02 - Die Prinzen
hatte schon immer zu seinem Alltag gehört. Auch die prachtvollen Räumlichkeiten beeindruckten ihn nur mäßig. Seit seinem zwölften Lebensjahr war er von Unterwürfigkeit und Glanz umgeben gewesen.
Es gab eine Menge für ihn zu lernen. Seine Tage waren ausgefüllt mit so viel Neuem und Unbekanntem, dass er unentwegt beschäftigt war und keine Zeit zum Nachdenken fand. Nur wenn er abends allein in seinem Bett lag und ihn der Schlaf floh, überkam ihn das Gefühl von Einsamkeit. Denn alle, die tagsüber um ihn herumschwirrten, ihm zu Diensten sein wollten, ihn hofierten und ihm schöntaten, nahm er nur als schattenhafte Gestalten wahr.
Hätte er nicht Rastafan und Caelian gekannt, wäre ihm dieser Zustand völlig natürlich vorgekommen: Ein Sonnenpriester oder ein Prinz lebte eben in einer entrückten Welt, wo es Vertraulichkeiten nicht gab, denn alle anderen Menschen standen zu tief unter ihm. Doch was er mit den Freunden erlebt hatte, war nicht mehr rückgängig zu machen. Und wenn es nach Anamarna ging, so sollte das auch nicht geschehen. Irgendwie sollte er zwischen all den Bücklingen, Kniefällen und dem falschen Lächeln auch noch darauf hinarbeiten, eine Prophezeiung zu erfüllen, die irgendetwas Wunderbares verhieß.
Der Weg dahin schien sich jedoch hinter mannshohem Dornengestrüpp zu verbergen. Zwar hatte Anamarna ihm die Tugenden genannt, die hindurchführten, aber wieder einmal fühlte sich Jaryn in die Irre geleitet, glaubte er, den rechten Pfad niemals zu finden. Das Gute wohnte nicht im Palast. Und doch war er verurteilt, hier zu leben.
Er vermisste Caelians Klugheit, seine Zuversicht und Unbeschwertheit. Und er vermisste Rastafan! Ja, er litt unter der Vorstellung, ihn nie wiedersehen zu dürfen. Denn nach allem, was er erfahren hatte, war Rastafan ebenfalls ein Sohn Dorons und damit sein Bruder. – Und an seinen Bruder darf man nicht mit lüsternen Wünschen denken. Das wäre ein Sakrileg vor Achay und den himmlischen Gesetzen!, nörgelte die Stimme seiner Erziehung. – Nicht einmal in brüderlicher Liebe darf ich an ihn denken, denn diesen Bruder sollte es überhaupt nicht geben. Wenn die Welt von Rastafan erfährt, dann verfällt er Razoreth, denn er wäre gezwungen, mit mir um den Thron zu kämpfen, und zweifellos würde er diesen Kampf gewinnen! Mir würde es auch nicht helfen, auf den Thron zu verzichten, denn zwei Prinzen können nicht am Leben bleiben. Nur Caelian weiß davon, aber er wird schweigen …
Caelian! Wie mag es ihm jetzt ergehen? Bestimmt ist er in den Mondtempel zurückgekehrt. Konnte er sich gegen Gaidaron durchsetzen? Bei meiner Rückkehr ist alles so schnell und überhastet geschehen. Ich habe nicht einmal mehr mit ihm sprechen können …
*
Ich muss ihn sehen! , dachte Jaryn eines Abends, als ihn das Grübeln wieder überfiel. Es wird mir guttun, mit ihm zu lachen und mir die Sorgen von der Seele zu reden. Also warum – bei Razoreths Gemächt! – lasse ich ihn nicht zu mir kommen? Bin ich nun der Prinz oder nicht? Während er darüber nachdachte, ärgerte er sich über sich selbst, dass er so zögerlich gewesen war. Hatte er zu befehlen oder die hochnäsigen Würdenträger, die ihm ehrerbietig gegenübertraten, jedoch hinter seinem Rücken tuschelten, weil sie ihn für einen verhätschelten Sonnenpriester hielten, der außer Singen und Beten nichts gelernt hatte?
Er schlug auf den Gong. Einer der Diener trat ein. Hier im Palast hatte Jaryn für jedes seiner Bedürfnisse einen anderen Bediensteten, aber bis jetzt war es ihm noch nicht gelungen, zu einem von ihnen Vertrauen aufzubauen. Sie besaßen zwar Namen, aber Jaryn hatte keinen von ihnen behalten. Er fand es unwichtig, denn sie waren nur Befehlsempfänger, die kamen und gingen. Kaum, dass er ihre Gesichter kannte. Bei Saric verhielt es sich anders: Dieser würde eines Tages die Weihen erhalten und Sonnenpriester werden, während die Diener des Palastes immer Diener blieben. Dementsprechend waren sie erzogen worden, und so benahmen sie sich: unterwürfig und scheinbar seelenlos.
»Lasse zum Mondtempel schicken. Ein Priester namens Caelian soll mich noch heute aufsuchen. Gebt ihm Geleit und führt ihn sofort in meine Gemächer.«
Der Diener verneigte sich. »Ja, erhabener Prinz.«
Das war ja einfach! , dachte Jaryn. Weshalb habe ich nicht früher daran gedacht? Habe ich mich von der Hofetikette einschüchtern lassen? Ich kann nach Caelian schicken, wann immer ich will. Ja, wenn ich es wünsche, wird er sogar
Weitere Kostenlose Bücher