Lacunars Fluch 02 - Die Prinzen
ihn Frantes ungläubig an. Aus der Graugans war ein Schwan geworden. Caelian war mit dem schwarz-silbernen Gewand der Mondpriester bekleidet, und rotbraune Locken ringelten sich auf seiner Schulter. Kein Fürst hätte eine stolzere Haltung einnehmen können. Der Bote bekam eine leise Ahnung, weshalb der Prinz diesen Caelian sprechen wollte. Von der äußeren Erscheinung her war er ihm nahezu ebenbürtig.
Frantes ging voran, die Schüssel mit ausgestrecktem Arm vor sich her tragend. Caelian wandelte zwei Schritte hinter ihm, die Hände in den weiten Ärmeln verborgen. Nach endlosen Fluren und Treppen waren sie endlich im Ostflügel angelangt, wo sich nach altem Brauch die Gemächer der Prinzen und Prinzessinnen befanden. Zurzeit waren sie nur von einem Mann bewohnt.
Caelian nahm Frantes die Schüssel aus der Hand. Nachdem der Türwächter seinen Namen erfahren hatte, ließ er ihn anstandslos zu Jaryn hinein. Allerdings warf er einen misstrauischen Blick auf das Bündel.
»Es ist in Ordnung«, nickte Frantes. »Ich habe mich selbst davon überzeugt.«
Caelian warf Frantes eine Kusshand zu. »Besuch mich mal, wenn du Appetit auf Pastete hast.« Dann verschwand er leichthin tänzelnd in Jaryns Zimmer.
Als Jaryn ihn sah, sprang er auf und lief auf ihn zu. Caelian stellte die Pastete ab und breitete die Arme aus. Das war Jaryn, wie er ihn kannte. Sie umarmten sich übermütig wie Kinder. »Geht es dir gut?«, fragte Caelian atemlos.
»Jetzt schon«, lachte Jaryn und spähte zu dem Bündel hin. »Was ist das denn?«
»Ich habe dir eine Pastete gemacht.«
Jaryn versetzte ihm einen freundschaftlichen Hieb in die Seite. »Du bist unverbesserlich, Caelian. Mach schon auf, die wollen wir gleich essen.«
Caelian sah sich um. »Teller? Besteck?«
Jaryn winkte ab. »Brauchen wir nicht. Haben wir so etwas je im Räuberlager gehabt?«
»Nie!« Caelian erwiderte den Boxhieb, und beide lachten aus vollem Halse.
Kurze Zeit später hockten sie auf dem Boden, zwischen sich die Schüssel mit der Pastete, die sie mit den Fingern aßen. Zum Glück konnte Jaryn ein paar saubere Tücher auftreiben. »Du musst mir alles erzählen, Jaryn«, nuschelte Caelian mit vollem Mund. »Bei Zarad! Ich war wie vor den Kopf geschlagen, als ich hörte, du seist selbst jener geheimnisvolle Prinz.«
»Glaubst du, ich nicht?«, erwiderte Jaryn und stopfte sich ein saftiges Stück in den Mund. »Hm, die schmeckt einfach himmlisch.«
»Ach, ich habe schon bessere gemacht. Also sag schon, was ist passiert? Was steckt hinter alledem?«
»Das ist eine lange Geschichte.«
Caelian wischte sich etwas Fett aus den Mundwinkeln. »Weißt du, ich hatte schon befürchtet, du würdest mich nun nicht mehr kennen.«
»Wie kommst du denn darauf? Weißt du nicht, dass du mein einziger wahrer Freund bist?«
»Na, jetzt übertreibst du aber. Was ist denn mit Rastafan?« Jaryns Miene verdüsterte sich, und Caelian erschrak. »Was ist mit ihm? Ist – ist er es?«
Jaryn nickte. »Ja, er ist Dorons Sohn. Jedenfalls muss ich das annehmen. Diese Nachtblume ist seine Mutter.«
Caelian schlug die Hand vor den Mund. »Beim geheiligten Namen Zarads! Dann ist er dein leiblicher Bruder!«
»So ist es.«
Caelian grinste und stieß Jaryn an. »Das nennt man dann wohl ›Geschwisterliebe‹?«
»Mir ist dabei nicht zum Lachen. Was wir getan haben, war ein großer Frevel.«
»Unsinn! Ihr habt es doch nicht gewusst. Und was wird nun? Weiß es Rastafan?«
»Bist du von Sinnen? Er darf es niemals erfahren!«
Caelian sah ihn verwundert an, dann schlug er sich gegen die Stirn. »Oh, ich verstehe! Dieser Zweikampf auf Leben und Tod. Aber das würde Rastafan doch nicht tun? Gegen dich kämpfen, meine ich.«
Jaryn lachte bitter. »Er hätte wohl keine Wahl. Das Gesetz verlangt es. Nur wenn die Wahrheit nie ans Licht kommt, kann der Zweikampf vermieden werden.«
Caelian verspeiste nachdenklich das letzte Stück Pastete. »Wenn sie nie ans Licht kommt …«, wiederholte er sinnend. »Hm, meinst du denn, es wird ihm nicht zu Ohren kommen, dass du Dorons Sohn bist?«
»Das schon, aber er weiß doch nicht, …«
»… dass er dein Bruder ist? Dass er Anspruch auf den Thron hätte? Nun, wer könnte es ihm erzählen? Doch wohl seine Mutter.«
»Ja«, sagte Jaryn, während er sich die Hände abwischte. »Nur merkwürdig, dass sie es bisher verheimlicht hat.«
»Dann ist er es vielleicht gar nicht? Die Nachtblume könnte von einem anderen Mann aus dem Palast schwanger gewesen
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