Lacunars Fluch 02 - Die Prinzen
ging auf sie zu. »Nein, ich werde schweigen, so wie ich bisher geschwiegen habe, denn ich habe es bereits gewusst.« Er sah Rastafan an. »Jaryn hat den Prinzen wirklich gefunden. Er hat dich gefunden, Rastafan. Aber er konnte es dir nicht sagen. Er fürchtete, man würde dir etwas antun, wenn es bekannt würde.«
»Lüge!«, schrie Zahira. »Er wollte nicht, dass mein Sohn bekommt, was ihm zusteht. Dieser Sonnenpriester wollte selbst König werden, und Rastafan war sein Rivale um die Macht.«
»Du irrst dich«, erwiderte Caelian gelassen. »Jaryn liegt nichts an ihr. Sie wurde ihm aufgezwungen. Er ist ein unglücklicher Mensch.«
»Wie hat er mich gefunden?« Rastafans Stimme war plötzlich kalt wie Eis.
»Die Nachtblume. Bei seinen Nachforschungen stieß er auf diesen Namen. Du hast ihm in der Köhlerhütte gesagt, deine Mutter habe diesen Namen einmal getragen. Da wusste Jaryn die Wahrheit.«
Jetzt erinnerte sich Rastafan auch an Jaryns absonderliches Benehmen, und er fand die Erklärung. Es war der Schock, dass es neben ihm noch einen Prinzen gab, der ihm den Thron streitig machen konnte. Denn einem Gesetzlosen durfte er nie und nimmer in die Hände fallen. Nein, er stand nur einem Sonnenpriester zu.
Kraftlos ließ sich Rastafan auf den Strohballen sinken. Die Freude, die ihm Caelian geschenkt hatte, war dahin. Finstere Gedanken erfüllten ihn: Ja, ich bin selbst von höchstem Adel, mir stand es zu, in Margan zu leben und zu regieren, doch ich musste das Leben eines Räubers führen und dem Tode Bagaturs tatenlos zusehen … Mich, den Sohn des Königs, hat man nackt durch Margan geschleift, vorbei an johlenden Menschenmassen. Und Jaryn hat es gewusst! Caelian behauptet zwar, er habe es erst in der Köhlerhütte erfahren, aber ich weiß, dass Jaryn es schon im Kerker gewusst hat! Nun wird mir manches klar …
Nach der Vergewaltigung im Wald muss er Nachforschungen über mich angestellt haben. Dann hat Jaryn erfahren, dass der verhasste Bruder im Kerker saß, und wollte sich an mir rächen. Er hat mich vergewaltigt, doch dann hat ihn vorübergehend die Reue gepackt. Schließlich sind wir Brüder. Am Ende hat Jaryn dann ein elendes Spiel mit mir getrieben. Um mich ganz sicher vom Thron fernzuhalten, hat er Gefühle geheuchelt und mir etwas von Flüchen, der angeblichen Suche nach einem Prinzen, von einem Razoreth und anderen Hirngespinsten vorgeflunkert. Und dann sein letzter Auftritt in der Köhlerhütte! Wahrlich, ein gelungenes Schauspiel. Der wichtige Auftrag hat ihn ja so bedrückt, ihn gar zu Tränen getrieben. Dabei war er mit seinen Gedanken bereits bei den Feierlichkeiten, die ihn bei seiner Rückkehr in Margan erwarteten: ›Hoch lebe Jaryn von Fenraond!‹
Rastafan vermeinte, die Hochrufe zu hören. Während sie Jaryn als dem neuen Prinzen zujubelten, habe ich trübsinnig in meiner Waldhütte gesessen und mich nach Jaryn gesehnt. Der Totenvogel soll ihn holen! –
Zahira starrte Caelian feindselig an. Der gab ihren Blick unbewegt zurück. Zahira wandte sich ab und zischte Rastafan zu: »Dir ist doch klar, dass niemand von diesem Gespräch erfahren darf; also was machen wir mit dem da?«
Rastafan kehrte aus seinen Gedanken zurück in die Wirklichkeit. Ungehalten verschränkte er die Arme. »Caelian ist meine geringste Sorge. Wir sollten uns lieber überlegen, was jetzt zu tun ist. Ich bin Dorons Sohn, aber erst muss er mich als solchen anerkennen. Hast du dir darüber schon Gedanken gemacht?«
»Früher als du, Rastafan«, erwiderte Zahira verächtlich. »Aber er da, dein Freund …« Sie zeigte auf Caelian, der gleichmütig auf dem Heuballen saß und seine Fingernägel betrachtete. »Er wird vorzeitig alles verraten und dann …«
»Gib dir keine Mühe«, knurrte Rastafan. »Caelian ist unantastbar. Zufällig ist er der Sohn deines Bruders Lacunar. Du willst es dir doch mit ihm nicht verderben?«
Zahira stieß ein schrilles Lachen aus. »Dieses Püppchen ist Lacunars Sohn?«
»Ja, auch wenn es dir nicht gefällt.«
»Liebe Tante«, mischte sich Caelian jetzt honigsüß ein, »ich hätte auch gern einen anderen Vater gehabt, aber leider hatte ich keine Wahl.«
Zahira war bei dem Wort ›Tante‹ zusammengezuckt. Doch dann fing sie sich. Sie hatte begriffen, dass sie an diesem jungen Mann nicht vorbeikam. »Es ist doch erstaunlich, was ich alles erfahren muss«, seufzte sie. »Nun denn, Caelian, dann gehörst du zur Familie, und ich muss dir vertrauen. Doch als Sohn Lacunars musst du
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