Lacunars Fluch 02 - Die Prinzen
ihn nicht nur mit Zorn, sondern auch mit Sorge. Wenn schon jemand wie Orchan den Kopf jetzt höher trug, war sein Machtverlust beträchtlich. Höchste Zeit, das zu ändern! Gaidaron hatte ihm die Gelegenheit dazu gegeben, er musste sie nur nutzen. Borrak beschloss also, seine Taktik zu ändern und seine kleinen grausamen Spielchen zu unterlassen. Vielleicht war es klüger, sich Orchan gewogen zu machen?
Er bat ihn äußerst liebenswürdig, Platz zu nehmen. Was Borrak darunter verstand, stimmte andere jedoch eher bedenklich, weshalb Orchan sich nur zögernd setzte, und seine Augen höchste Wachsamkeit ausdrückten.
Borrak bediente ihn selbst. Er schenkte ihm Wein ein und begann ein harmloses Gespräch im Plauderton, was seinem Gesprächspartner den Eindruck eines mit Fußfallen gespickten Pfades vermitteln musste. Orchan tat, als lausche er hingebungsvoll Borraks abgedroschenen Floskeln, nickte hin und wieder oder fügte ein ›Wunderbar!‹ oder ›Tatsächlich?‹ hinzu.
»Was ist eigentlich aus den Knaben geworden?«, fragte Borrak unvermittelt. »Du weißt schon, die eigentlich für Nemarthos bestimmt waren.«
Die du umbringen wolltest …, dachte Orchan, laut aber sagte er: »Ich habe sie in ihre Dörfer zurückgebracht.«
Borrak wunderte sich, dass Orchan so rückhaltlos die Wahrheit sagte. Aufrichtigkeit machte ihn misstrauisch. »Aber die Wegelagerer – wie bist du ihnen entkommen?«
Orchan schilderte Borrak alles so, wie es sich zugetragen hatte. Nur Namen nannte er keine, und Jaryn und Caelian erwähnte er gar nicht.
»Hm, die Räuber waren also mit den Schwarzen Reitern verbündet. Kein Wunder, dass meine Garde mit ihnen nicht fertig wurde. Das sind leibhaftige Dämonen.«
Orchan dachte sich seinen Teil und schwieg.
»Der Hauptmann dieser Bande – wie war sein Name?«
Orchan zuckte die Achseln. »Weiß ich nicht. Die riefen sich untereinander nur ›Dicker‹, ›Langer‹, ›Schafskopf‹ oder so.«
Jetzt lügst du!, dachte Borrak, aber er ließ sich nichts anmerken. Was hätte er davon, wenn Orchan den Namen Rastafan noch bestätigte? »Ist nicht so wichtig. Es wundert mich allerdings, dass die Räuber so gnädig mit dir und den Jungs umgingen.«
»Mich nicht«, erwiderte Orchan mit erstaunlicher Offenheit. »Sie bringen keine Kaufleute um, wenn sie nicht müssen, sonst hätten sie ja niemanden mehr, den sie künftig berauben könnten. Und was die Knaben angeht: Es waren Bauernsöhne und hätten kein Lösegeld gebracht. Also waren die Banditen froh, als ich mit ihnen abzog.«
Borrak nickte mürrisch. Er ärgerte sich, dass er kein Argument dagegen fand. »Damals war ich ziemlich aufgebracht, weil die Sache nicht geklappt hatte«, versuchte er sich zu rechtfertigen. »Deshalb wollte ich meine Wut an den Knaben auslassen. Ich habe eben zu heißes Blut. Gut, dass es nicht dazu gekommen ist.«
Du Schleimbeutel, was willst du von mir?, fragte sich Orchan alarmiert. Er nickte freundlich. »Ja, die ganze Geschichte hatte doch noch ein gutes Ende.«
»Aber das Gold haben die Räuber.«
»Ist es unser Gold, Borrak?«
»Nein, aber mein Problem. Ich soll es wiederbeschaffen.«
»Oh. Das dürfte selbst für Euch ein harter Brocken sein.«
»Und die Knaben auch. Ich weiß nicht weiter«, gestand Borrak.
Aha, aus der Ecke weht der Wind!, dachte Orchan. Aber da kann ich dir auch nicht helfen. »Habt Ihr den Befehl vom König selbst?«
»So ist es.«
»Nun, wenn ich Euch einen Rat geben darf …?« Orchan zögerte und sah Borrak fragend an.
Dieser nickte rasch. »Ja, nur zu.«
»Euch bleibt nichts anderes übrig, als dem König die Wahrheit zu sagen. Die Knaben sind wieder daheim, und das Gold ist verloren, denn noch niemand hat die Räuber in den Rabenhügeln bezwungen. Hin und wieder wurde einer gefangen genommen, aber in ihrem Reich sind sie so gut wie unbesiegbar.«
Borrak blickte trübsinnig. »Orchan, das ist kein guter Rat. Der König will die Wahrheit gar nicht hören, er will Ergebnisse.«
»Dann wendet Euch doch an seinen Sohn, den Prinzen Jaryn. Wie es heißt, ist er ein gerechter Mann. Er könnte für Euch bei seinem Vater Fürsprache einlegen.«
Jaryn! Nun hat Orchan selbst das Gespräch auf ihn gebracht. Borrak lächelte listig. »Auch ich habe davon gehört. Man sagt ihm einen edlen Charakter nach. Aber jung ist er, sehr jung und unerfahren, und Margan ist ein Schlangennest. Solche Männer haben viele Feinde. Ich wünschte, König Doron hätte mich zu seinem Leibwächter
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