Lacunars Fluch 02 - Die Prinzen
beseitigen. Der Hauptmann erkannte, dass er plötzlich zwischen zwei Stühlen saß. Sowohl der Prinz als auch Gaidaron konnten ihn vernichten. Also musste er sich entscheiden, wem er dienen wollte. Und da fiel ihm die Wahl nicht schwer. Der Mondpriester stand ihm vom Wesen her weitaus näher als der überhebliche Sonnenpriester. Er hatte nicht vergessen, wie Jaryn ihn damals im Jammerturm behandelt und überlistet hatte. Er hatte ihn zum Narren gemacht, und jetzt kam eine Gelegenheit, sich dafür zu rächen.
»Soll er – soll er getötet werden?«, flüsterte er.
»Beseitigen, sagte ich. Ich weiß nicht, wie das auf anderem Wege geschehen sollte.«
»Und wie?«
»Wie du es machst, ist mir egal, aber es muss nach einem Unfall aussehen. Auf dich und mich darf kein Verdacht fallen. Ich werde es so einrichten, dass ich mich zum Zeitpunkt der Tat in der Öffentlichkeit aufhalte, wo mich jeder sehen kann.«
Borrak gefiel es nicht, dass Gaidaron ihn mit dem Aushecken des Plans allein ließ. Ihm lag das Draufhauen, nicht das raffinierte Ausklügeln. Der hohe Herr wollte sich wie immer aus allem heraushalten, aber Borrak war es gewohnt, die Schmutzarbeit zu erledigen, und auch jetzt hatte er keine Wahl.
»Es dürfte nicht so leicht sein«, murmelte Borrak. »Ich brauche etwas Zeit.«
»Die Sache eilt nicht. Sie muss nur gelingen. Ich gebe dir eine Frist von drei Monaten.«
Borrak nickte. »Gut, das dürfte reichen.«
»Geh jetzt. Ich bleibe noch. Man darf uns nicht zusammen sehen. Kein Wort zu niemandem. Und denke immer daran: Gute Arbeit belohne ich, bei Verrat bin ich erbarmungslos.«
»Es ist mir eine Ehre, Euch zu dienen«, sagte Borrak. Etwas zu hastig stand er auf und tastete sich durch die Dunkelheit den Weg nach draußen.
Gaidaron hörte, wie er sich mit tappenden Schritten entfernte. »Armer Narr«, murmelte er und nahm die Lampe. Dann verließ er den Tempel auf einem anderen Weg.
17
Nun hatte er zwei verzwickte Befehle am Hals! Borrak kam sich vor, als werde er zwischen zwei Mühlsteinen zerdrückt. Dabei war der erste Befehl undurchführbar und der Zweite lebensgefährlich, jedenfalls für ihn. Gaidaron war abgesichert. Allein wegen seines hohen Ranges würde ihn niemand ohne stichhaltige Beweise anklagen. Fiele aber auch nur der Schatten eines Verdachts auf ihn – Borrak –, dann würde man nicht zimperlich vorgehen.
Er wusste natürlich, dass er wegen seiner Grausamkeit verhasst war und es viele gab, die ihm gern am Zeug flicken würden. Dazu müsse es nicht kommen, hatte Gaidaron gemeint. Bei einem Unfall gäbe es keine Verdächtigen, er stelle einfach ein Unglück dar, das man keinem anhängen könne. Aber Jaryns Tod musste eben auch nach einem solchen aussehen, und Borrak zermarterte sich das Hirn, was dem Prinzen Schreckliches passieren könnte. Er benutzte keine Kutschen, er ritt keine Pferde, ja er verließ nur selten seine Räumlichkeiten – und wenn, dann nur, um in den Sonnentempel zu gehen. Auf diesem kurzen Weg, der zudem nach allen Seiten einsehbar war, dürfte das Werk kaum gelingen.
Gewalttätiges Handeln war ihm geläufig, aber Fantasie besaß er kaum. Und die Bürde der Verantwortung trug nicht zur Erhellung seiner Gedanken bei. Er wurde launisch, blaffte seine Leute an und tyrannisierte seine übrige Umgebung. Das half ihm zwar nicht bei der Lösung seines Problems, aber es verschaffte ihm Erleichterung. Und dann überfiel ihn doch noch ein Geistesblitz. Orchan! Dieser mit allen Wassern gewaschene Händler war dabei gewesen, als die Sache mit den Knaben passiert war. Wie war das damals noch? Borrak versuchte, sich zu erinnern:
Sie waren mit den Bälgern auf dem Weg zu jenem Waldstück gewesen, wo sie ihnen den Garaus machen wollten, aber Orchan – der nicht! Er wollte die Bengel freilassen, sie sollten wieder nach Hause gehen. Dann war die Sache schiefgegangen, und sie mussten Hals über Kopf fliehen. Aber Orchan war nicht mitgeflohen. Wo war der überhaupt geblieben? Die Räuber hatten ihn jedenfalls nicht abgestochen, er hockte immer noch quicklebendig in seinem Haus. Da war doch etwas faul! Diese fette Kröte wusste etwas, und was das war, das würde Borrak schon aus ihm herauskitzeln …
Er ärgerte sich, dass er nicht schon eher an den Kaufmann gedacht hatte. Sofort schickte er einen seiner Männer hin und ließ ihn holen.
*
Schon bei seinem Eintreten bemerkte Borrak, dass Orchan an Selbstvertrauen gewonnen und an Furcht vor ihm etwas eingebüßt hatte. Das erfüllte
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