Lacunars Fluch 02 - Die Prinzen
abscheulichen Tat werden, wie er einen heiligen Sonnenpriester niederstach.
Jaryn stand jetzt zwei Schritte vor ihm. Gegen seinen Willen tauchte Rastafans Blick in das kristallene Blau seiner Augen. Nun würde es für immer erlöschen, er würde es nie wiedersehen. Aus den Tiefen seines Gewandes holte Jaryn jetzt eine goldene Scheibe in Form einer Sonne hervor. Er führte sie an die Lippen und hielt sie dann hoch in die Luft, wo sie vom schimmernden Sonnenlicht geküsst wurde. Da geschah das Unglaubliche. Die Menge begann zu jubeln, und Rastafan hatte das Gefühl, als kreischten tausend Dämonen in seinem Schädel. Dunkelheit umwölkte seinen Geist. Er schloss die Augen und stieß Jaryn mit einem grässlichen Schrei das Schwert durch die Brust. Er sah nicht mehr, wie dieser fiel. Angewidert schleuderte er das Schwert von sich und floh mit weiten Schritten von diesem Ort.
Sofort war Suthranna zu Jaryns leblosem Körper geeilt. Das helle Blut hob sich als großer feuchter Fleck von dem Rot des Gewandes ab. Suthranna beugte sich über ihn, horchte an seiner Brust, hob seine Augenlider an und fühlte ihm den Puls. Nach einer Weile erhob er sich, schüttelte den Kopf und machte den beiden anderen Ärzten Platz, die Jaryn ebenfalls untersuchten. »Sein Herz schlägt nicht mehr, er ist tot«, verkündeten sie. Die Sonnenpriester eilten daraufhin herbei, hüllten Jaryn in ein kostbares Tuch und begannen die Totenklage für ihren Mitbruder.
Es war ein herzzerreißender Gesang, der selbst Zahira berührte. Dieser Jaryn – ja, es ist wirklich schade um ihn, dachte sie. Plötzlich konnte sie Rastafan verstehen. Hatte sie ihm mit dem Brudermord zu viel zugemutet? Von der Seite beobachtete sie Doron, dem der Tod seines Sohnes nichts auszumachen schien. Aber vielleicht weinte er inwendig. Zahira glaubte es nicht. Sie erhob sich, wollte nur noch weg von diesem Platz. Rastafan war nicht mehr zu sehen. Doron bot ihr höflich den Arm. »Meine Liebe, du machst ein Gesicht, als sei dein Sohn gestorben.«
»Das war ein Abschlachten«, flüsterte sie.
»Ja, bedauerlicherweise hat Jaryn darauf verzichtet, sich zu wehren. Wie ein Opferlamm ist er auf Rastafan zugegangen. Was hätte der tun sollen?«
Oh heiliger Himmel!, dachte Zahira. Hast du nicht gemerkt, dass Jaryn meinen Sohn zum Täter und damit gleichfalls zum Opfer gemacht hat? Aber sie schwieg. Sie hatte sich auf den Handel eingelassen, und heute war Zahltag gewesen. Sie hoffte nur, dass Rastafan bald darüber hinwegkommen würde.
Gaidaron hatte der ungewöhnliche Auftritt dieser beiden Männer zutiefst aufgewühlt: Nie hätte er Jaryn eine solche Standhaftigkeit zugetraut und Rastafan nicht so viele Skrupel – trotz dessen Beherztheit. Er fand es seltsam, dass ihn das Schauspiel so erschüttert hatte. Nein, das war kein Mitleid! Dies hier war ein stärkeres Gefühl, das Mauern niederreißen und Urfragen aufwerfen konnte: Für Gaidaron unangenehme Fragen. – Er schüttelte sich ...
29
Jaryn war in der großen runden Halle des Sonnentempels aufgebahrt worden. Drei Tage würden die Großen des Reiches an ihm vorbei defilieren und ihn betrauern. So war es Brauch, wenn ein Prinz oder ein König starb. Alle Lichter im Saal waren gelöscht. Nur der Katafalk in der Mitte mit Jaryns Leichnam war von meterhohen Wachskerzen umstellt, die ihren milden Schein auf den Toten warfen.
Er war bekleidet mit dem roten Rock des Hitzemondes, den er am Tag seines tapferen Todes getragen hatte. Dies war auf Sagischvars Wunsch hin geschehen. Die goldene Kette mit dem Auge Achays ruhte auf seiner Brust, und auf seiner Stirn leuchtete die Sonnenscheibe. Der Prinz sah aus, als schliefe er. Die Sonnenpriester hatten bei der Herrichtung des Leichnams vorzügliche Arbeit geleistet.
Sie hatten sich Gebete murmelnd um ihn versammelt. Viele schluchzten und wischten sich die Augen. An so einem Tag waren selbst ihnen Gefühle erlaubt. In einigem Abstand standen die Novizen und waren nicht minder erschüttert. Unter ihnen befand sich auch Saric. Sein Gesicht war eine leblose Maske. Er hielt sich im Hintergrund, als könne er den Anblick Jaryns nicht ertragen. Sagischvar hatte den Sarg dreimal umschritten und mit duftendem Wasser besprengt. Suthranna war auch erschienen. Er war nicht gekommen, um einen Sonnenpriester zu ehren, sondern einen Prinzen. Während der Zeremonie stand er an Jaryns Seite und warf bisweilen prüfende Blicke auf ihn.
Dann öffneten sich die Tore für die Trauergäste. Voran schritt
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