Lacunars Fluch 02 - Die Prinzen
Doron, der den Weg vom Palast zu Fuß zurückgelegt hatte. Ihm folgten sein Sohn Rastafan und Zahira, die zukünftige Königin. In einigem Abstand näherten sich die Würdenträger und hohen Beamten des Reiches. Dahinter schritten die Mondpriester. Caelian und Gaidaron fehlten jedoch. Für die restliche Bevölkerung waren die beiden kommenden Tage vorgesehen.
Mit dem Erscheinen der Gäste waren die Gebete und der leise Trauergesang der Sonnenpriester verstummt. Doron, ganz in Würde gekleidet, ging langsam auf den Sarg zu. Er zeigte nie Gefühle in der Öffentlichkeit. Mit steifen Gesten gehorchte er dem Brauch. Er beugte sich zu seinem Sohn hinab und küsste die Sonnenscheibe auf dessen Stirn. »Möge dich Achay aufnehmen in sein Reich.«
Dann trat er zur Seite, um seinem anderen Sohn Platz zu machen. Rastafan hatte bis zuletzt gehofft, man würde ihm diesen Gang ersparen, aber Doron war unerbittlich gewesen. Das gehöre jetzt zu seinen Pflichten. Und er hoffe, dass Rastafan sich wie ein zukünftiger König verhalten werde. Damit meinte Doron, er solle sich nach außen genauso gefühlskalt geben wie er selbst.
Als Rastafan an den Sarg herantrat, spürte er die Feindseligkeit der Sonnenpriester. Ihr Hass berührte ihn wie eine kalte Hand. Er zwang sich, Jaryn anzusehen. Der Tod hatte ihm nichts von seiner Schönheit genommen, sondern eine wunderbare Reinheit auf das geliebte Antlitz gelegt.
Jaryn war ein Lichtwesen, und ich habe es getötet!
Er trug noch immer das Gewand, in dem er den Todesstoß empfangen hatte. Rastafans Gedanken verwirrten sich. Ach nein , es wird wohl ein Neues sein, das andere muss ja ein Loch haben. Es erschien ihm sehr wichtig, in diesem Augenblick darüber nachzudenken. Gleichzeitig erfasste ihn ein unwiderstehliches Verlangen, sich über den Leichnam zu werfen und seine Qual hinauszubrüllen. Wie war es möglich, dass er noch aufrecht neben dem Geliebten stand? Müsste nicht eine göttliche Faust vom Himmel fahren und ihn niederstrecken?
Ein gequältes Schluchzen drang aus seiner Brust. Er beugte sich nieder, um die Sonnenscheibe zu küssen. Jaryn duftete nach frischen Blüten. Flüchtig berührten seine Lippen das goldene Amulett, dann drückte er sie sanft auf Jaryns Mund. Ein empörtes Raunen erhob sich ringsum.
»Schlaf wohl, Geliebter«, murmelte Rastafan und richtete sich auf. Er sah sich um, und das Raunen verstummte. Niemand wollte jetzt den Blicken des Prinzen begegnen.
Rastafan fühlte sich verlassen. Inmitten dieser Menschen war er allein. Noch nie hatte er sich so grauenhaft einsam gefühlt. Die Leere fraß sich durch seine Eingeweide, durch seinen Kopf und durch sein Herz. Er schwankte kurz, dann trat er beiseite, um seiner Mutter Platz zu machen.
Jemand fasste seinen Arm, wie um ihn zu stützen. Rastafan erblickte einen alten Mann mit weißem Bart und gütigen Augen. »Vielleicht gibt es Hoffnung«, sagte der Alte.
»Hoffnung?«, wiederholte Rastafan tonlos.
»Hoffnung für Jawendor. Dein Herz ist nicht aus Stein. Es gehört Razoreth noch nicht ganz.«
»Ich kenne deinen Razoreth nicht. Wer bist du überhaupt?«, fuhr Rastafan ihn barsch an.
»Ich bin Anamarna, man nennt mich den Weisen von der Kurdurquelle.«
»Ihr seid das?«, stieß Rastafan zornig hervor. »Mit Euch hat alles begonnen. Hätte Jaryn Euch nicht besucht, dann wäre er heute nicht tot.«
»Das ist deine Sichtweise, mein Sohn.«
»Nenn mich nicht ›mein Sohn‹, Alter. Ich bin Dorons Sohn!« Dann stieß er ein wahnsinniges Lachen aus. Die Totenzeremonie hatte er verdorben. Aber das war ihm gleichgültig …
30
Jaryn war in der Königsgruft im Sonnentempel zur letzten Ruhe gebettet, der Sarg in eine Grabnische geschoben und diese zugemauert worden. Auf der darüber befestigten Marmortafel stand zu lesen: ›Jaryn, Prinz von Fenraond‹.
Caelian stand vor dem Grab; er war allein. Jetzt, einen Tag nach der feierlichen Beisetzung, war der Ort in den Gewölben des Tempels wie ausgestorben. Caelian war dankbar dafür. Er schämte sich, dass er bei der Aufbahrung von Jaryn nicht wie alle anderen Abschied von ihm genommen hatte. Aber es wäre ihm unerträglich gewesen, dort mit Jaryns Mörder zusammenzutreffen. Mit ihm und all den anderen herzlosen Geschöpfen, die so taten, als betrauerten sie ihn. Wenigstens Gaidaron hatte so viel Anstand besessen, dort nicht zu erscheinen. Das hatte er von einem Mitbruder erfahren.
Caelian legte seine Hand auf die Grabplatte und streichelte den kühlen Marmor,
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