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Lacunars Fluch, Teil 1: Der Auftrag (German Edition)

Lacunars Fluch, Teil 1: Der Auftrag (German Edition)

Titel: Lacunars Fluch, Teil 1: Der Auftrag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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er ihn in seinen Plan einweihen können, und der Treue hatte nicht gefragt, nur gehandelt.
    »Ich wusste gar nicht, dass in so einem hübschen Kopf so schreckliche Fantasien wohnen«, bemerkte Rastafan spöttisch, der sich inzwischen von der Liege erhoben hatte. »Habe ich dich unterschätzt?«
    Jaryn drehte sich gezwungen lächelnd zu ihm um. »Nicht wahr? Ich habe es selbst nicht geahnt. Diese Sachen sind ohne mein Zutun einfach so in mir aufgestiegen. Glaubst du, dass das ein böses Zeichen ist?«
    »Bewahre! Du hast eben Fantasie entwickelt«, beruhigte ihn Rastafan. Er sah zur Treppe hoch, über die die Männer verschwunden waren. »Wie geht es jetzt weiter?«
    »Saric wird passende Kleidung für dich finden und dich dann zur Stadt hinausbegleiten. In seiner Gegenwart wird dir nichts geschehen.«
    »Du vertraust ihm?«
    »Saric würde sich für mich vierteilen lassen.« Jaryn sah Rastafan spöttisch an. »Du auch?«
    Dieser kratzte sich verlegen am Kopf. »Du stellst sehr unangenehme Fragen, Jaryn.«
    »Seit Borrak aufgetaucht ist, hast du mich mit Misstrauen betrachtet. Das stimmt doch?«
    Rastafan konnte Jaryns Blick zum ersten Mal nicht standhalten. »Nun, ich kenne dich nicht – nicht wirklich. Ich weiß nur, wie du dich beim Vögeln anfühlst – tut mir leid, das hätte ich nicht sagen sollen.«
    »Nein, hättest du nicht.« Bitternis schwang in diesen Worten mit.
    »Du bist immer noch ein Sonnenpriester aus Margan, nicht wahr?«
    »Du denkst immer noch, ich sei dein Feind?«
    »Erst, wenn ich heil diese verfluchte Stadt verlassen habe, werde ich es wissen, Jaryn, das musst du verstehen. Uns da draußen schützt allein unser Misstrauen.«
    Jaryn nickte. »Irgendwann wirst du mir erzählen, weshalb du so ein Leben gewählt hast. Aber jetzt ist keine Zeit dazu.«
    »Dieser Borrak – wird er schweigen?«
    »Ich denke ja. Das Risiko musste ich eingehen. Ich hätte ihn und seine Männer nicht ohne Weiteres umbringen können. Borrak ist der Hauptmann der Eisernen Garde, die direkt dem König untersteht. Aber er ist ein abergläubischer Hasenfuß wie alle Krieger. Er wird schweigen.«
    »Hm.« Rastafan sah sich um. »Befinden sich hier wirklich eure Kerker?«
    Jaryn lachte. »Aber nein. Hier unten befindet sich unser Archiv. Die empfindlichen Bücher und Schriften benötigen trockene, kühle Luft.«
    Da musste Rastafan herzlich lachen, und Jaryn fiel in das Gelächter ein. Wie schön war es, mit diesem Manne gemeinsam zu lachen. Wurde im Tempel überhaupt gelacht? Er hatte nie darüber nachgedacht. Und doch läutete dieser Ausbruch an Fröhlichkeit ihren Abschied ein. Ungewiss war, ob sie sich wiedersehen würden, ungewiss war alles, was vor Jaryn lag, denn er hatte seinen Auftrag noch nicht einmal richtig begonnen.
    In einförmiger Gleichheit waren die Tage im Tempel dahingeflossen, immer hatte Jaryn gewusst, was die nächsten Stunden bringen würden. Das war vorbei. Bald würde er sich als Händler, Handwerker, Diener oder Bauer in die Stadt schleichen oder übers Land gehen müssen, mit dem einfachen Volk in Berührung kommen, mit den niederen Ständen reden und lachen. Bei Anamarna war ihm das noch als eine unerträgliche Bürde erschienen. Dass er jetzt zuversichtlicher den Dingen ins Auge sehen konnte, verdankte er Rastafan. Um seinetwillen hatte er seinen Ruf, ja sein Leben riskiert. Gestank und Schmutz waren ihm gleichgültig gewesen, wenn er ihn nur umarmen, ihn riechen, ihn fühlen konnte. In seiner Gegenwart fühlte er sich schwach und doch stark, gering und doch mächtig. Was für einen Zauber besaß dieser Mann? Liebte er ihn? Wurde er von Rastafan geliebt? Das waren Überlegungen, die er sich nicht gestatten durfte.
    Saric kam zurück und brachte feine Kleider mit. Ein goldbestickter Schal, wie die Vornehmen ihn zu tragen pflegten, verdeckte Rastafans Haar und teilweise auch sein Gesicht. Rastafan wechselte die Kleider, dabei sah er Jaryn an. Sie sahen sich in die Augen. Wie schwer war der Abschied! Saric verbeugte sich vor ihm. »Herr, bitte, es eilt.«
    Es gab keine Umarmung. »Danke Jaryn«, flüsterte Rastafan, dann folgte er mit raschen Schritten dem vorauseilenden Priester.

6
    Mehrere Wochen Aktenstudium hatten Jaryn nicht bei seiner Suche weitergebracht. Der verlorene Prinz tauchte nicht auf in den Schriften. Der Mann, der bald Razoreth ganz gehören, der alle ins Unglück stürzen würde, lief noch frei und unbehelligt herum, sann womöglich längst auf Schandtaten, plante Übles. Die

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