Lacunars Fluch, Teil 4: Rastafans Buße (German Edition)
Stimme«, bat Yasmun. Er hatte sich zum ersten Mal eingemischt.
»Ihr habt Shalaman verärgert, weil Ihr darauf bestanden habt, König Nemarthos selbst zu sprechen. Dies nur zu wünschen, ist bereits ein Sakrileg. Aber wie gesagt, bei Fremden ist man nachsichtig.«
»Und gleichzeitig verachtet man sie.«
»Die Xaytaner halten alle anderen Völker für gottlos, weil ihre Götter unsichtbar sind. Sie sagen, sie sind der Fantasie der Priester entsprungen, um das Volk einzunebeln.«
»Und die Tadramanen tun das nicht?«
Shahain zögerte. »Sie sind für die Gesetze und die Ordnung im Land verantwortlich. Und Xaytan ist ein schönes Land, wie Ihr Euch überzeugen konntet.« Doch Gaidaron hörte einen Missklang hinter Shahains Worten.
Gaidaron dachte jetzt daran, die Taverne baldmöglichst zu verlassen, denn was er sich von dieser Nacht versprochen hatte, das war entschwunden wie eine Feder im Wind. Er hielt es nicht länger aus, diesen beiden Burschen gegenüberzusitzen, ohne sie auch nur berühren zu dürfen. Doch bevor er ging, musste er noch eine dringende Sache loswerden. Dazu bestellte er eine weitere Kanne Wein, damit Shahain noch ein wenig gesprächiger wurde.
»Ihr wisst also, dass ich nach Khazrak kam, um mit Nemarthos zu sprechen. Leider waren mir die Bräuche hier nur unzureichend bekannt. Ich erfuhr nun, dass er ein Gott ist, aber es ist nach wie vor wichtig, dass ich ihn spreche, es sei denn, er fällt überhaupt keine Entscheidungen. Dann wüsste ich gern, an wen ich mich wenden kann. Wer vertritt König Nemarthos? Könnte es Euer Herr Yaguashar sein?«
»Ja. Er und die anderen Tadramanen bestimmen alles, was in Xaytan geschieht. Aber Yaguashar ist ihr Kopf. Mächtiger als er ist niemand im Land.«
»Außer Nemarthos.«
»Natürlich. Ohne ihn wären die Tadramanen blind wie Maulwürfe. Er ist ihr Licht, die Quelle ihrer Weisheit, der Urgrund ihres Handelns.«
»Wäre es dann möglich, dass ich mit Yaguashar spreche?«
Shahain schüttelte den Kopf. »Auch er empfängt keine Fremden. Dafür hat er seine Minister. Dafür hat er Leute wie Shalaman.«
»Und ihr seid sicher, dass er für mich keine Ausnahme macht? Ihr könntet doch ein gutes Wort für mich einlegen.«
»Aber wir sind nur Sklaven, wie sollte er auf uns hören?«
Gaidaron konnte sich solche Gründe durchaus vorstellen, aber er durfte sie nicht wieder ansprechen. Er blieb noch eine Weile bei ihnen sitzen, bevor er sich verabschiedete. Er hatte jetzt einen Namen. Den Namen des wichtigsten Mannes im Reich. Er musste hartnäckig bleiben. Schließlich bedankte er sich bei den beiden für das Gespräch und verließ die Taverne.
Draußen war es stockfinster, und er musste sich erst einmal orientieren, welche Richtung er einschlagen wollte. Nach ein paar Schritten wuchs aus einem dunklen Gebüsch zur Rechten ein Schatten. Gaidaron griff zum Dolch, doch eine Stimme flüsterte: »Ich bin es, Shahain. Kommt mit, wenn Ihr die Wahrheit erfahren wollt.«
Das wollte Gaidaron. Er stolperte im Finstern hinter ihm her, dabei ging es durch Gestrüpp und Disteln, bis sie an einer zerfallenen Mauer haltmachten. Sie setzten sich auf den Boden. »Ich konnte drin nicht reden, ich traue Yasmun nicht.«
»Du meinst, er ist ein Spitzel?«
»Ich bin mir nicht sicher, aber ich bin vorsichtig. Das habe ich in Khazrak gelernt.«
»Du riskierst viel. Wenn er dir nun hinterhergeschlichen ist?«
»Nein, nachdem Ihr gegangen seid, hat er sich zu den anderen gesetzt, und ich bin zur Hintertür hinaus, um meine Notdurft zu verrichten. Ich kann auch nicht lange bleiben. Aber Ihr gefallt mir, und ich möchte Euch nicht mit Lügen ziehen lassen.«
»Du gefällst mir auch«, erwiderte Gaidaron sanft und berührte leicht seine Wange. »Nicht wahr? Du und deine Freunde, ihr seid noch zu anderen Diensten bereit als eine Sänfte zu tragen?«
»Hört mir zu und unterbrecht mich nicht. Yaguashar hält uns alle als seine Lustknaben. Deshalb hat er beim Kauf auf unser Aussehen geachtet. Aber nach außen erweckt er den Anschein, als seien wir nichts als Träger, damit man ihm nichts nachsagen kann. Er besitzt auch ein Haus, das von außen unscheinbar wirkt, doch im Innern geschehen schmutzige Dinge. Nur Leute, die er kennt und denen er vertraut, haben dort Zutritt. Und es trifft sich dort die oberste Schicht. Die Sittengesetze sind streng, deshalb gieren alle nach der Freiheit, die ihnen dort geboten wird. Viele Tadramanen sind käuflich, lüstern und grausam. Sie genießen
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