Lacunars Fluch, Teil 4: Rastafans Buße (German Edition)
Gleichzeitig müssen wir alles tun, um Schaden von ihm abzuwenden.«
»Oh, wie schlau du daherreden kannst, Priester! Aber es sei! Ich schwöre. Und nun? Wohin ist er gegangen?«
»Zum Balshazutempel.«
»Sieben verwarzte Kröten! Und wen will er treffen?«
»Ich weiß es nicht«, log Saric.
»Und woraus schließt du, dass es eine Falle ist?«
»Es könnte eine sein, der Ort ist abgelegen und verrufen.«
»Da sagst du was. Hm, morgen früh, meintest du? Ich darf nicht etwas eher dort erscheinen?«
»Nein, auf keinen Fall. Vergiss nicht, du hast geschworen.«
»Jaja, aber was, wenn es dann zu spät ist?«
»Das Risiko trägt König Rastafan selbst. Er ist kein Wickelkind, und wir sind nicht seine Ammen. Ich habe bereits meine Befugnisse überschritten, indem ich dich davon unterrichtete.«
»Gut, gut. Morgen früh also. Danke für die Nachricht.« Er schlug Saric auf die Schulter. »Bist kein schlechter Kerl, auch wenn du ein Sonnenpriester bist.« Doch dann zog er die Hand weg, als hätte er sich verbrannt. »Oh, dreimal verhexter Totenvogel, jetzt habe ich dich angefasst.«
Saric lächelte. »Keine Sorge, ich habe die Weihen noch nicht erhalten. Doch für diese Zeit erteile ich dir heute schon die Erlaubnis, mich jederzeit zu berühren.«
Tasman grinste. »Das wird mir das Leben außerordentlich versüßen.«
~·~
Inzwischen war es völlig dunkel geworden. Die vielen Sterne funkelten wie Diamanten, aber sie spendeten kaum Licht. Solange Rastafan in den bekannten Straßen unterwegs war, kam er gut vorwärts, denn wenn sich die Augen erst an die Dunkelheit gewöhnten, hoben sich Gebäude, Straßenränder und Brunnen noch schwach vom Hintergrund ab. Doch je weiter er sich Nemmarjor näherte, desto schmaler wurden die Gassen, und es wurde so finster, dass er sich an den Häuserwänden entlangtasten musste. Er fluchte leise vor sich hin, weil er vergessen hatte, eine Lampe mitzunehmen. Von einer Haustür entwendete er kurzerhand eine schwache Funzel, und es gelang ihm, den Weg vor sich wenigstens zwei Schritte weit zu beleuchten.
Mit Wegelagerern musste er nicht rechnen. In Margan gab es so gut wie keine Raubüberfälle, dafür sorgten die strengen Strafen. In früheren Zeiten waren die Männer der Eisernen Garde noch durch die nächtlichen Straßen gezogen, um für Sicherheit zu sorgen, was der aristokratischen Schicht in Margan ein vordringliches Anliegen war. Das war schon lange nicht mehr nötig. Dass er als König im Finstern durch seine Stadt stolperte, empfand er nicht als seltsam. Die Aussicht, in wenigen Augenblicken Jaryn gegenüberzustehen, machte ihn empfindungslos gegen jede Gefahr und blind gegen jegliche Vernunft.
Die ersten Ruinen des alten Tempelbezirks zeichneten sich wie schwarze Riesenfinger vor einem etwas helleren Firmament ab. Rechts von ihm erstreckte sich ein düsteres Felsenband, an das sich eingestürzte oder verfallene Gebäude lehnten, doch er musste sich links halten. Dort musste es ein Ahornwäldchen geben, unter dessen Baumkronen sich der unheimliche Balshazutempel befinden sollte. Rastafan fürchtete sich nicht vor Ruinen.
Er starrte in die Dunkelheit. Von fern glaubte er, Bäume zu erkennen. Wartete dort Jaryn auf ihn? Oder ein von Gaidaron bezahlter Mörder? Da stolperte er über eine Treppenstufe. Die Treppe gehörte zu einem Tempel, der, soweit er das erkennen konnte, besser erhalten war, als die übrigen. Er blieb kurz stehen und blickte zur Fassade hoch, die aber irgendwo mit der dunklen Felswand verschmolz. Warum lässt man hier alles so verkommen?, ging es ihm durch den Kopf. Manches Gebäude könnte man wieder herrichten und in Wohnungen umwandeln. Ich werde mich auch darum einmal kümmern müssen.
Er wandte sich ab, um den Weg zum Ahornwäldchen einzuschlagen, als er hinter sich ein Geräusch hörte. Eilige Schritte kamen die Treppe herunter. Rastafan wandte sich blitzschnell um. Er sah noch einen Schatten auf sich zuspringen, dann traf ein schwerer Gegenstand seinen Kopf, und es wurde finster um ihn.
Als er wieder zu sich kam und die Augen aufschlug, war es stockfinster um ihn herum. Aber er war sich bewusst, dass er sich in einer äußerst misslichen Lage befand. Sein Kopf dröhnte und fühlte sich an, als sei er mit Disteln ausgestopft. In seinem Mund befand sich ein Knebel, sodass er durch die Nase atmen musste, was ihm durch ein schwarzes Tuch noch erschwert wurde, mit dem sein Kopf verhüllt war. Mit dem Oberkörper lag er auf einer Art Tisch. Die
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