Lacunars Fluch, Teil 4: Rastafans Buße (German Edition)
nicht gewohnt bist, wirst du gleich anfangen zu singen.«
»Mir ist so eigenartig«, lispelte Tiyamanai.
»Ich nehme an, du siehst gerade Morphor auf seinen schwarzen Flügeln entschweben. Lass ihn ziehen.«
Tiyamanai fühlte eine unbekannte Leichtigkeit in sich. Die Welt löste sich auf in bunte Schleier, alles um ihn herum schien sich zum Takt einer unbekannten Musik zu wiegen. »Möge er nie wiederkehren«, murmelte er und lächelte den König an. »Wie heißt du eigentlich?«
»Rastafan.«
»Rastafan, ich mag dich.«
»Ich mag dich auch. Komm, lass dir noch einmal einschenken.«
15
Rastafan war zufrieden. Einen Stachel Gaidarons hatte er sich aus dem Fleisch gezogen. Aber die Sache mit Jaryn war nicht so leicht aus der Welt zu schaffen. Er wusste, dass er das Gespräch mit Suthranna suchen musste, doch er verschob es von Tag zu Tag. Immer wieder redete er sich ein, seine Regierungsgeschäfte erlaubten es ihm nicht, aber in Wahrheit verachtete er sich für diesen Kniefall vor Gaidaron. Dennoch hatte er es ihm versprochen, und er konnte sich nicht mehr lange verweigern. Zum Glück hatte Gaidaron noch nichts von sich hören lassen. Doch er war kein geduldiger Mann. Jeden Tag konnte er auftauchen und Rastafan an seine Zusagen erinnern und obendrein von ihm fordern, ihm zu Willen zu sein. Letzteres betrachtete Rastafan zwar eher als Vergnügen, aber im Hinterkopf wäre stets der Gedanke, dass er es nicht aus freien Stücken tat, sondern sich Gaidaron unterwarf.
Doch dann erschien nicht Gaidaron bei ihm. Suthranna selbst suchte ihn auf. Rastafan nahm an, dass Gaidaron seinen Mund nicht hatte halten können. Dennoch machte ihm das Kommen des Oberpriesters die Sache leichter.
Nachdem sie sich gegenseitig höflich nach dem Befinden erkundigt hatten, sagte Suthranna: »Ich bin gekommen, um Euch in einer gewissen Angelegenheit um Rat zu fragen. Doch zuvor lasst mich sagen, dass ich Euch sehr schätze, Rastafan. Ihr gebt Anlass zur Annahme, dass Ihr jener gute Herrscher seid, den wir uns damals erhofft hatten. Wir dachten, es sei Jaryn, und wir haben unser Augenmerk nur auf ihn gerichtet. Das war unser Fehler. Doron hatte noch einen Sohn, das haben wir nicht gewusst. Und obwohl Eure Erziehung gegen alle herrschenden Sitten verlaufen sein muss, wandelt Ihr nicht in Dorons Fußstapfen. Ihr habt Razoreth keine Handbreit des Feldes überlassen.«
»Danke für Eure warmen Worte, Suthranna. Aber vergesst nicht, ich habe meinen Bruder getötet.«
»Eben das habt Ihr nicht getan, deshalb konnte der Fluch auch keine vollständige Macht über Euch gewinnen. Die Gefahr ist noch nicht gebannt, aber Ihr habt sie eingehegt.«
Selbstverständlich konnte nur ein Mann wie Suthranna auf diese Weise mit dem König von Jawendor sprechen. Rastafan wusste das und senkte kurz den Blick. »Die Vorstellung von unumschränkter Macht hatte mich überwältigt, sie hatte mich zu dieser Tat hingerissen, die mein Leben verdunkelt.«
»Verdunkelt hat. Ihr wisst, dass Jaryn lebt.«
Rastafan nickte. »Bitte seht mir nach, dass ich Euch von meiner Bitternis spreche, obwohl Ihr doch in einer wichtigen Angelegenheit zu mir gekommen seid, in der Ihr meinen Rat sucht. Ich bin Euch gern behilflich, obwohl ich mir nicht vorstellen kann, was ein junger Mann wie ich dem lebenserfahrenen Oberpriester raten könnte.«
»Es ist nicht gerade ein Rat. Vielmehr möchte ich gern Eure Meinung zu einer Sache hören, zu der ich mich entschlossen habe. Ich möchte mein Amt im Mondtempel zur Verfügung stellen.«
»Ach! Was für ein Zufall!«
»Wie meint Ihr das?«
»Ihr habt nicht Gaidaron in letzter Zeit Euer Ohr geliehen?«
»Wie kommt Ihr darauf?«
»Nun, erst neulich war er bei mir und äußerte den Wunsch, Euch in diesem Amt abzulösen. Er hatte mich gebeten, in dieser Sache bei Euch zu vermitteln.«
»Oh – Ihr habt es aber nicht getan …?«
»Aufrichtig gesagt, ich halte nichts davon, Gaidaron mit Macht auszustatten, gleich welcher Art. Er will immer noch König werden. Dafür verwette ich meinen Ar… – m.«
»Hm. Er ist ein Fenraond, und es traf ihn hart, dass er von der Erbfolge ausgeschlossen wurde. Ich frage mich nur, weshalb er ausgerechnet Euch als Vermittler wollte.«
»Ach was, Vermittler!«, platzte es aus Rastafan heraus. »Er hat mich erpresst.«
»Bei Zarad! Womit denn?«
»Mit Jaryn. Irgendwie muss er herausbekommen haben, dass er noch lebt. Diese Nachricht wollte er überall verbreiten, und das dürfte uns allen nicht gut
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