Lacunars Fluch, Teil 4: Rastafans Buße (German Edition)
»Was soll’s? Vor deinen Schwarzen Reitern fürchten sich nicht einmal die Erdhörnchen, die sonst bei jedem Schatten in ihre Höhlen flitzen. Sie hocken auf ihren Hinterteilen und drehen ihnen eine lange Nase.«
Lacunar lächelte. »Die drehen sie dir seit Langem, mein Freund. Denn wie ich annehme, hockst du hier schon eine ganze Weile vergeblich, schluckst Staub, zählst vor Langeweile die Ziegel, und in der Mittagshitze quälen dich Trugbilder von fliegenden Krügen. Du siehst sie aus der Pyramide heraus- und geradewegs in deine Arme schweben. Aber leider traf dich nur ein Sonnenstich.«
Radomas beugte sich vor. »Ich habe sie gesehen. Die Spitze. Und ich war oben.«
So weit ist er also gekommen, dachte Lacunar. Aber offensichtlich nicht weiter, Nimgud sei Dank.
»Was du nicht sagst. War die Aussicht schön?«
Radomas irritierte Lacunars Gelassenheit. Er lehnte sich zurück. »Weißt du mehr als ich?«
Lacunar leckte sich die Lippen. »Mein Sohn hat die Krüge gesehen, Radomas.«
»Aber wie kam er in die Pyramide hinein? Hat er es dir verraten? Oder hat er nur eine Legende weitererzählt?«
»Es mag eine Legende über Zarador geben, aber nicht über die fünf Krüge. Er hat sie gesehen. Und er fand die Sarkophage von Phemortos und Lacunar, jener sagenhaften Könige der Vorzeit.«
Radomas klatschte die Faust in seine linke Handfläche. »Aber Beweise. Ha! Die hat er nicht und du auch nicht. Es gibt keinen Eingang zu der Pyramide, sonst hätte ich ihn gefunden.«
»Vielleicht hast du an der falschen Stelle gesucht?«
Radomas’ Augen funkelten. »Und wo ist die richtige Stelle?« Seine Stimme war heiser vor Aufregung.
»Aber geliebter Schwiegersohn. Warum sollte ich sie dir verraten?«
Radomas winkte ab. »Ha, du weißt nichts, gar nichts. Auf deine Prahlerei falle ich nicht herein. Wenn dein Sohn dringewesen wäre, dann hätte er sich die Krüge geholt. Er hätte sie nicht zurückgelassen.«
»Das sagst du, weil du jeden für genauso goldgierig hältst wie dich selbst. Caelian hatte es nicht nötig, das Gold zu bergen, denn es ist sicher da, wo es ist. Vielleicht wollte er eine gute Gelegenheit abwarten, bis du mit Thorgan abgezogen bist.«
Das leuchtete Radomas ein. Er verfiel ins Grübeln und starrte auf einen Flecken am Boden. Was hatte Caelian seinem Rivalen erzählt? Kannte Lacunar den Eingang, oder hielt er ihn zum Narren?
»Ich schlage dir einen Handel vor«, sagte er schließlich. »Wenn du den Eingang kennst, dann gehen wir gemeinsam hinein und teilen den Schatz.«
»Weshalb sollte ich mit dir teilen?«
»Vielleicht, weil du dein Araboor sonst nicht wiedersehen würdest?«
»Und du glaubst, ein Lacunar beugt sich deinen Drohungen? Wenn du mich tötest, werden meine Schwarzen Reiter dich vernichten.«
»Möglich. Deshalb lass uns klug sein. Da warten unermessliche Reichtümer, sie reichen für uns beide. Wenn wir uns einigen, ersparen wir dem Land einen langwierigen Krieg.«
»Das ist ein Argument. Aber niemand darf vorerst von dem Zugang wissen.«
»Also kennst du ihn?«, fragte Radomas lauernd.
»Ja, ich kenne ihn.«
»Und wo? Wo ist er?«
»Da sage ich dir, wenn wir da sind. Wir gehen in die Pyramide – nur wir beide.«
»Einverstanden«, erwiderte Radomas heiser. »Und dann? Wir werden Männer brauchen, um die fünf Krüge zu bergen.«
»Darüber können wir später beraten. Erst einmal vergewissern wir uns, dass sie da sind. Und noch eins: Keine Waffen in der Pyramide.«
»Keine Waffen«, stimmte Radomas zu. »Wir sind doch Ehrenmänner.«
»Davon bin ich immer ausgegangen. Doch im Zweifelsfall erwürge ich dich auch mit meinen bloßen Händen.«
Radomas grinste. »Aber das wirst du nicht müssen, denn ich teile ja mit dir, obwohl du mein Gefangener bist und ich es nicht nötig hätte, mich auf einen Handel mit dir einzulassen.«
»Wer den Fürst von Achlad gefangenhält, begeht Hochverrat. Also rede keinen Unsinn. Ich bin ein freier Mann und dein Fürst. – Wie verschwinden wir unbemerkt von unseren Leuten?«
»Wir brechen in der Nacht auf, wenn alle schlafen. Ich werde mich anbieten, die Wache zu übernehmen.«
»Gut, dann in dieser Nacht.«
~·~
Als die beiden Begleiter Lacunars und ihre fünf Bewacher schliefen, verließen Lacunar und Radomas leise das Zelt. Der weiche Sand dämpfte ihre Schritte. Über der großen Düne hing ein riesiger Mond, aber er spendete nur wenig Licht auf dem schluchtähnlichen Pfad, der sich an der Düne entlangzog. Fast blind
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