Lacunars Fluch, Teil 4: Rastafans Buße (German Edition)
Göttlichkeit. Könige sind in seinen Augen eben auch nur Menschen, wenn auch edler und vornehmer als andere. Jedoch ein Gott steht nun einmal über einem König.«
»Aber ich bin auch Abgesandter eines Gottes. Das wisst Ihr.«
»Zarad? Nun, würde dieser persönlich in Khazrak erscheinen, so wäre Seine Göttlichkeit sicher bereit, ihn zu empfangen. Leider ist er unsichtbar, wie ich hörte?«
Dass Shalaman Zarad verspottete, war schwer zu ertragen. Gaidaron knirschte mit den Zähnen, und seine Augen glühten, aber sein Mund sprach milde: »Hochverehrter Shalaman, vielleicht darf ich erwähnen, dass schon so mancher Gott die Flucht ergriffen hat, wenn die feindlichen Truppen gewöhnlicher Menschen vor seiner Tür standen.«
Shalaman schob sein kleines Kinn vor. »Ihr droht mir?«
»Das liegt nicht in meiner Absicht, aber Ihr beleidigt mich, meinen König und mein Land. Kann Euer Gottkönig die Sonne ausblasen oder den Mond vom Himmel holen?«
»Das ist nicht seine Aufgabe«, erwiderte Shalaman abweisend. Dann dämpfte er seine Stimme: »Es lag mir fern, Euch zu beleidigen, aber ein jeder verehrt seine Götter. Die meisten Völker verehren dabei Luftgespinste, wir nicht. Wir haben unseren Gott leibhaftig in unserer Mitte.«
Gaidaron stöhnte innerlich. So schwierig hatte er sich seine Mission nicht vorgestellt. »Aber es wird doch Männer geben, mit denen ich an höchster Stelle verhandeln kann? Vergebt mir, aber steht über Euch niemand mehr?«
»Nicht in Angelegenheiten der Fremdländer«, erwiderte Shalaman verstimmt.
»Wie weit reicht denn Eure Entscheidungsfreiheit, wenn ich mir die Frage erlauben darf?«
»Entscheidungen treffe ich allein. Wenn sie weitreichend oder lebenswichtig sind, dann berät eine Kommission darüber, die sich aus den höchsten Ministern zusammensetzt.«
Das waren niederschmetternde Auskünfte. Gaidaron war darin geübt, Menschen zu beeinflussen, denen er in die Augen schauen konnte und die über die alleinige Entscheidungsgewalt verfügten. Wenn seine Angelegenheit bei einigen Höflingen durchgehechelt wurde, konnte er ebenso gut schweigen. Er konnte ein Huhn fangen, aber nicht mit einem aufgeregten Hühnerstall fertig werden. Käme er wirklich nicht an diesem Fischkopf vorbei? Er beschloss, alles auf eine Karte zu setzen.
»Ich hörte, Euer göttlicher König lässt durchaus gewöhnliche Menschen in seine Nähe. Ihr Name lautet Tadramanen.«
»Das sind heilige Männer«, sagte Shalaman schnell. »Sie verrichten die üblichen Dienste, die ein menschgewordener Gott benötigt: Essen, Trinken, Kleiden …« Offensichtlich gab es da noch andere Dinge, aber er schwieg abrupt.
»Er ist also doch ein Mensch?«
»Er hat Menschengestalt angenommen. Den Anblick eines Gottes würden wir kaum ertragen, nicht wahr? Die Person von König Nemarthos ist nur die fleischliche Hülle, in die Gott geschlüpft ist.«
»Verstehe. Aber die Tadramanen …«
»Sie wurden durch eine besondere Zeremonie für würdig befunden, Nemarthos persönlich zu dienen.«
»Sie sind also eine Art Leibdiener Eures Gottes?«
»So könnte man es ausdrücken. Verrichten Eure Priester nicht ähnliche Dienste an euren Göttern, die ihr in Form von Gegenständen oder Statuen verehrt? Sagt mir, was lächerlicher ist: Eine von einem Steinmetz geschaffene Figur oder einen Menschen zu verehren?«
»Ich möchte nicht über unsere Religionen debattieren«, erwiderte Gaidaron ärgerlich. »Das würde nur böses Blut geben. Und was die Tadramanen angeht, so hörte ich, dass sie es in Wahrheit sind, die alle Entscheidungen treffen.«
»Da hat man Euch die Unwahrheit gesagt«, entgegnete Shalaman mit ausdrucksloser Miene.
»Ich sehe, ich habe mich leider vergeblich auf diese lange Reise begeben«, erwiderte Gaidaron kalt. »Auf dieser Grundlage kann ich die Botschaft meines Königs nicht übermitteln. Ich bin davon ausgegangen, mit Eurem König darüber sprechen zu können, so wie es unter allen Völkern Brauch ist. Ich sehe, ich habe mich getäuscht.«
»Ihr hättet vorher Informationen über das Land einholen sollen, das Ihr besucht«, tadelte ihn Shalaman.
»Ja, da habt ihr wohl recht.« Gaidaron wusste jetzt, dass jede weitere Minute mit diesem Menschen verschwendet war. Er musste die Sache anders angehen. »Ich habe mich daher entschlossen, über die Absichten meines Königs zu schweigen. Dennoch hoffe ich, mich weiterhin als Gast dieses Hauses fühlen zu dürfen. Gegen ein reichhaltiges Abendessen, so wie Ihr
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