Lacunars Fluch, Teil 4: Rastafans Buße (German Edition)
trank einen Schluck Wein. »Was der König tut oder denkt, das weiß ich nicht, denn ich bin ihm nie begegnet. Es gibt eine Besonderheit in Xaytan, die wir in Jawendor nicht kennen. Die Xaytaner haben keine Götter und daher auch keine Priester. Aber sie sind keinesfalls gottlos. Denn ihr Gott, das ist König Nemarthos selbst. Er wird angebetet und verehrt wie bei uns Zarad oder dieser Achay. Sie glauben, dass ihre Dynastie göttlichen Ursprungs ist. Mit anderen Worten, sie glauben nur an einen Gott, der sich jeweils im König und seinen Söhnen neu manifestiert.«
»Hm.« Gaidaron lehnte sich zurück, und seine Gedanken flogen bereits voraus. »Der König hat dich also nicht empfangen?«
»Nein. Als Gott ist er unnahbar. Es heißt, er dulde nur gewisse Menschen um sich, die dort Tadramanen heißen. Sie üben tatsächlich an ihm so etwas Ähnliches wie Priesterdienst aus, aber man kann sie nicht mit unseren Priestern vergleichen. An ihnen kommt niemand vorbei. Und es wird gemunkelt, dass in Wahrheit sie es sind, die in Xaytan die Herrschaft ausüben.«
»Nemarthos ist also eine Puppe, wie auch Doron es im Grunde war?«
»Das könnte ich mir vorstellen, obwohl ich, wie gesagt, nicht bis zu ihm vorgedrungen bin und auch keinen Tadramanen kennengelernt habe. Du darfst nicht vergessen, Doron war stets Herr seines Willens, und er war auch keine Puppe, denn die Fäden hat immer er selbst gezogen. Ihm beliebte es, im Hintergrund zu wirken. Aber ob König Nemarthos selbst zu wirken gestattet ist, kann ich nicht beurteilen. Da das Land einen gepflegten und wohlhabenden Eindruck macht, scheinen die Tadramanen nicht unfähig zu sein.«
»Heißt das, ich kann Nemarthos vernachlässigen? Würde ich dann mit den Tadramanen direkt verhandeln müssen?«
»Ich weiß nicht, ob sie sich dazu herabließen, es kommt darauf an. Du musst damit rechnen, an Männer zu geraten, die tiefer im Rang stehen, die aber jedes Wort den Tadramanen weitergeben werden.«
Gaidarons Blick richtete sich in die Ferne. »Ein Mann, der sich für einen Gott hält – nun, ich habe von Ländern gehört, da werden Stiere wie Götter bekränzt. Das ist alles Unfug. Desto leichter werde ich es haben. Die Zylonen mit ihrem merkwürdigen Gebaren und ihrem Morphor habe ich auch hereingelegt.«
~·~
Zwischen Khazrak und Margan waren die üblichen Schreiben hin und hergegangen, die einem offiziellen Besuch eines hohen Würdenträgers voranzugehen pflegten. Nun war die Einladung aus Khazrak eingetroffen, und Gaidaron machte sich auf den Weg. Den Weg bis zum Lentharifluss, der die beiden Länder Jawendor und Xaytan voneinander trennte, legte er zu Pferd zurück und ließ sich von einigen Bewaffneten begleiten. Die Straße war breit und in gutem Zustand, denn sie wurde vor allem von Kaufleuten mit ihren Tieren und Wagen benutzt. Kein Land leistete sich den Luxus, auf sie zu verzichten, auch nicht Xaytan, das gewöhnlich alles Fremde verachtete.
Über den Fluss führte eine steinerne Brücke mit zwei großen Toren auf jeder Seite, die für jeden Reisenden, der eine entsprechende Erlaubnis vorweisen konnte, der kürzeste Weg zur Hauptstadt war. Gardisten in roten Gewändern und Lederharnischen, mit Schwertern und Lanzen bewaffnet, kontrollierten jeden Besucher.
Gaidaron hatte sich kurz vorher von seinen Begleitern verabschiedet, denn Bewaffneten aus anderen Ländern war der Zutritt nicht erlaubt. Er hatte sich das über und über von Silberfäden glitzernde Mondgewand angezogen und trug den Hut, der seine Würde als Oberpriester unterstrich. Wenn Rastafan auch über ihn gespottet hatte, so kleidete er Gaidaron doch ausnehmend gut. Er machte eine glänzende Figur, und er wusste es. Dementsprechend gedachte er, sein Auftreten zu gestalten, denn er kam nicht aus einem entlegenen Bergnest, wo die Fürsten noch selbst die Schweine hüteten.
Sobald er seine Einladung am Tor vorgezeigt hatte, bestellte er eine Sänfte, die ihn zum Palast tragen sollte. Ärgerlich ging er ein paar Schritte auf und ab, denn eigentlich hatte er erwartet, dass man ihm ohne Aufforderung eine geschickt hätte.
»Vier oder acht Sklaven?«, hatte man ihn gefragt.
»Gibt es auch eine mit zwölf oder noch mehr Trägern?«, hatte er schnippisch geantwortet.
Gewiss, die gebe es, war die kühle Erwiderung, jedoch sei sie für große Lasten vorgesehen, und er, Gaidaron, sei doch ein schlanker Mann und bedürfe nicht dieser Ausmaße. Man empfehle den Gästen stets vier Sklaven.
Gaidaron sah ein,
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