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L'Adultera

L'Adultera

Titel: L'Adultera Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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zitterte noch, als der durch sich selbst Gerettete mit einem gewissen Siegeslächeln erschien, das
    unter den sich jagenden Vorwürfen von »Tollkühn-
    heit« und »Gleichgiltigkeit gegen die Gefühle seiner Mitmenschen« eher wuchs als schwand.

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    Ein Zwischenfall wie dieser konnte sich natürlich
    nicht ereignen, ohne von einer Fülle von Kommenta-
    ren und Hypothesen begleitet zu werden, in denen
    die Wörter »wenn« und »was« die Hauptrolle spiel-
    ten und endlos wiederkehrten. Was würde geschehen sein, wenn Elimar den Pfahl nicht rechtzeitig
    ergriffen hätte? Was , wenn er trotzdem hineingefal-len, endlich was , wenn er nicht zufällig ein guter Schwimmer gewesen wäre?
    Melanie, die längst ihr Gleichgewicht wiedergewon-
    nen hatte, behauptete, daß van der Straaten unter
    allen Umständen hätte nachspringen müssen, und
    zwar erstens als Urheber der Partie, zweitens als
    resoluter Mann und drittens als Kommerzienrat, von
    denen, allen historischen Aufzeichnungen nach, noch keiner ertrunken wäre. Selbst bei der Sündflut nicht.
    Van der Straaten liebte nichts mehr als solche Ne-
    ckereien seiner Frau, verwahrte sich aber, unter
    Dank für das ihm zugetraute Heldentum, gegen alle
    daraus zu ziehenden Konsequenzen. Er halte weder
    zu der alten Firma Leander noch zu der neuen des
    Kapitän Boyton, bekenne sich vielmehr, in allem,
    was Heroismus angehe, ganz zu der Schule seines
    Freundes Heine, der, bei jeder Gelegenheit, seiner
    äußersten Abneigung gegen tragische Manieren ei-
    nen ehrlichen und unumwundenen Ausdruck gege-
    ben habe.
    »Aber«, entgegnete Melanie, »tragische Manieren
    sind doch nun mal gerade das, was wir Frauen von
    euch verlangen.«

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    »Ah, bah! Tragische Manieren!« sagte van der Straa-
    ten. »Lustige Manieren verlangt ihr und einen jungen Fant, der euch beim Zwirnwickeln die Docke hält und auf ein Fußkissen niederkniet, darauf sonderbarerweise jedesmal ein kleines Hündchen gestickt ist.
    Mutmaßlich als Symbol der Treue. Und dann seufzt
    er, der Adorante, der betende Knabe, und macht
    Augen und versichert euch seiner innigsten Teilnah-
    me. Denn ihr müßtet unglücklich sein. Und nun wieder Seufzen und Pause. Freilich, freilich, ihr hättet einen guten Mann (alle Männer seien gut), aber enfin, ein Mann müsse nicht bloß gut sein, ein Mann
    müsse seine Frau verstehen. Darauf komm' es an, sonst sei die Ehe niedrig, so niedrig, mehr als niedrig. Und dann seufzt er zum drittenmal. Und wenn
    der Zwirn endlich abgewickelt ist, was natürlich so lange wie möglich dauert, so glaubt ihr es auch.
    Denn jede von euch ist wenigstens für einen indi-
    schen Prinzen oder für einen Schah von Persien ge-
    boren. Allein schon wegen der Teppiche.«
    Melanie hatte während dieser echt van der Straaten-
    schen Expektoration ihren Kopf gewiegt und erwider-
    te schnippisch und mit einem Anfluge von Hochmut:
    »Ich weiß nicht, Ezel, warum du beständig von Zwirn sprichst. Ich wickle Seide.«
    Sehr wahrscheinlich, daß es dieser Bemerkung an
    einer spitzen Replik nicht gefehlt hätte, wenn nicht eben jetzt eine dralle, kurzärmelige Magd erschienen und auf Augenblicke hin der Gegenstand allgemeiner
    Aufmerksamkeit geworden wäre. Schon um des vir-
    tuosen Puffs und Knalls willen, womit sie, wie zum

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    Debüt, ihr Tischtuch auseinanderschlug. Und sehr
    bald nach ihr erschienen denn auch die dampfenden
    Schüsseln und die hohen Weißbierstangen, und
    selbst der Anisette für Anastasia war nicht verges-
    sen. Aber es waren ihrer mehrere, da sich der le-
    bens- und gesellschaftskluge Gabler der allgemeinen Damenstellung zur Anisettefrage rechtzeitig erinnert hatte. Und in der Tat, er mußte lächeln (und van der Straaten mit ihm), als er gleich nach dem Erscheinen des Tabletts auch Riekchen nippen und ihre Eulenau-gen immer größer und freundlicher werden sah.
    Inzwischen war es dämmerig geworden, und mit der
    Dämmerung kam die Kühle. Gabler und Elimar erho-
    ben sich, um aus dem Wagen eine Welt von Decken
    und Tüchern heranzuschleppen, und Melanie, nach-
    dem sie den schwarz und weiß gestreiften Burnus
    umgenommen und die Kapuze kokett in die Höhe
    geschlagen hatte, sah reizender aus als zuvor. Eine der Seidenpuscheln hing ihr in die Stirn und bewegte sich hin und her, wenn sie sprach oder dem Gesprä-
    che der andern lebhaft folgte. Und dieses Gespräch, das sich bis dahin medisierend um die Gryczinskis
    und vor allem auch um den Polizeirat und die neue
    katilinarische

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