L'Adultera
nicht voll so gut wie Anastasia. Natürlich nicht. Anastasia singt und ist exzentrisch und will einen Mann haben.«
»Will jede.«
»Ich auch?« lachte die Kleine.
»Wer weiß, Riekchen.«
»... Also, das erste war: er gefiel mir. Es war in der Veranda, gleich nach dem zweiten Frühstück, wir
hatten eben die blauen Milchsatten zurückgescho-
ben, und es ist mir, als wär' es gestern gewesen. Da kam der alte Teichgräber und brachte seine Karte.
Und dann kam er selbst. Nun, er hat etwas Distingu-
iertes, und man sieht auf den ersten Blick, daß er die kleine Not des Lebens nicht kennengelernt hat. Und
das ist immer hübsch, und das Hübsche davon soll
ihm unbenommen sein. Er hat aber auch etwas Re-
serviertes. Und wenn ich sage, was Reserviertes, so hab' ich noch sehr wenig gesagt. Denn Reserviert-sein ist gut und schicklich. Er übertreibt es aber. Anfangs glaubt' ich, es sei die kleine gesellschaftliche Scheu, die jeden ziert, auch den Mann von Welt, und er werd' es ablegen. Aber bald konnt' ich sehen, daß es nicht Scheu war. Nein, ganz im Gegenteil. Es ist Selbstbewußtsein. Er hat etwas amerikanisch Sicheres. Und so sicher er ist, so kalt ist er auch.«
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»Ja, Riekchen, er war zu lange drüben, und drüben
ist nicht der Platz, um Bescheidenheit und warme
Gefühle zu lernen.«
»Sie sind auch nicht zu lernen. Aber man kann sie
leider verlernen.«
»Verlernen?« lachte van der Straaten. »Ich bitte Sie, Riekchen, er ist ja ein Frankfurter!«
Während dieses Gespräch in dem Glasbalkon geführt
wurde, steuerten die beiden Boote der Mitte des
Stromes zu. Auf dem größeren war Scherz und La-
chen, aber auf dem kleineren, das folgte, schwieg
alles, und Melanie beugte sich über den Rand und
ließ das Wasser durch ihre Finger plätschern.
»Ist es immer nur das Wasser, dem Sie die Hand
reichen, Freundin?«
»Es kühlt. Und ich hab' es so heiß.«
»So legen Sie den Burnus ab...« Und er erhob sich,
um ihr behilflich zu sein.
»Nein«, sagte sie heftig und abwehrend. »Mich
friert.« Und er sah nun, daß sie wirklich fröstelnd zusammenzuckte.
Und wieder fuhren sie schweigend dem andern Boote
nach und horchten auf die Lieder, die von dorther
herüberklangen. Erst war es »Long, long ago«, und
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immer wenn der Refrain kam, summte Melanie die
Zeile mit. Und nun lachten sie drüben, und neue Lieder wurden intoniert und ebenso rasch wieder ver-
worfen, bis man sich endlich über eines geeinigt zu haben schien. »O säh' ich auf der Heide dort.« Und
wirklich, sie hielten aus und sangen alle Strophen
durch. Aber Melanie sang nicht leise mehr mit, um
nicht durch ein Zittern ihrer Stimme ihre Bewegung
zu verraten.
Und nun waren sie mitten auf dem Strom, außer
Hörweite von den Vorauffahrenden, und der Junge,
der sie beide fuhr, zog mit einem Ruck die Ruder ein und legte sich bequem ins Boot nieder und ließ es
treiben.
»Er sieht auch zu den Sternen auf«, sagte Rubehn.
»Und zählt, wie viele fallen«, lachte Melanie bitter.
»Aber Sie dürfen mich nicht so verwundert ansehen,
lieber Freund, als ob ich etwas Besonderes gesagt
hätte. Das ist ja, wie Sie wissen, oder wenigstens
seit heute wissen müssen, der Ton unsres Hauses.
Ein bißchen spitz, ein bißchen zweideutig und immer unpassend. Ich befleißige mich der Ausdrucksweise
meines Mannes. Aber freilich, ich bleibe hinter ihm zurück. Er ist eben unerreichbar und weiß so wundervoll alles zu treffen, was kränkt und bloßstellt und beschämt.«
»Sie dürfen sich nicht verbittern.«
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»Ich verbittere mich nicht. Aber ich bin verbittert.
Und weil ich es bin und es los sein möchte, deshalb sprech' ich so. Van der Straaten...«
»Ist anders als andre. Aber er liebt Sie, glaub' ich...
Und er ist gut.«
»Und er ist gut«, wiederholte Melanie heftig und in beinahe krampfhafter Heiterkeit. »Alle Männer sind
gut! Und nun fehlt nur noch der Zwirnwickel und das Fußkissen mit dem Symbol der Treue darauf, so haben wir alles wieder beisammen. O Freund, wie
konnten Sie nur das sagen und, um ihn zu rechtfer-tigen, so ganz in seinen Ton verfallen!«
»Ich würde durch jeden Ton Anstoß gegeben ha-
ben.«
»Vielleicht... Oder sagen wir lieber gewiß. Denn es war zuviel, dieser ewige Hinweis auf Dinge, die nur unter vier Augen gehören, und das kaum. Aber er
kennt kein Geheimnis, weil ihm nichts des Geheim-
nisses wert dünkt. Weil ihm nichts heilig ist. Und wer anders denkt, ist scheinheilig oder
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