L'Adultera
reimt...«
»Distichon.«
»Richtig. Also ich entsinne mich eines Distichons...
bah, da hab' ich es vergessen... Melanie, wie war es 88
doch? Du sagtest es damals so gut und lachtest so
herzlich. Und nun hast du's auch vergessen. Oder
willst du's bloß vergessen haben?... Ich bitte dich...
Ich hasse das... Besinne dich. Es war etwas von Pfir-sichpflaum, und ich sagte noch ›man fühl' ihn or-
dentlich‹. Und du fandst es auch und stimmtest mit
ein... Aber die Gläser sind ja leer...«
»Und ich denke, wir lassen sie leer«, sagte Melanie scharf und wechselte die Farbe, während sie mechanisch ihren Sonnenschirm auf- und zumachte. »Ich
denke, wir lassen sie leer. Es ist ohnehin Glühwein.
Und wenn wir noch hinüber wollen, so wird es Zeit
sein, hohe Zeit«, und sie betonte das Wort.
»Ich bin es zufrieden«, entgegnete van der Straaten, aber in einem Tone, der nur allzu deutlich erkennen ließ, daß seine gute Stimmung in ihr Gegenteil um-zuschlagen begann. »Ich bin es zufrieden und be-
dauere nur, allem Anscheine nach, wieder einmal
Anstoß gegeben und das adlige Haus de Caparoux in
seinen höheren Aspirationen verschnupft zu haben.
Es ist immer das alte Lied, das ich nicht gerne höre.
Wenn ich es aber hören will, so lad' ich mir meinen Schwager-Major zu Tische, der ist erster Kammer-herr am Throne des Anstands und der Langenweile.
Heute fehlt er hier, und ich hätte gern darauf ver-
zichtet, ihn durch seine Frau Schwägerin ersetzt zu sehen. Ich hasse Prüderien und jene Prätensionen
höherer Sittlichkeit, hinter denen nichts steckt. Im günstigsten Falle nichts steckt. Ich darf das sagen, und jedenfalls will ich es sagen, und was ich gesagt habe, das habe ich gesagt.«
89
Es antwortete niemand. Ein schwacher Versuch
Gablers, wieder einzulenken, mißlang, und in ziem-
lich geschäftsmäßigem, wenn auch freilich wieder
ruhiger gewordenem Tone wurden alle noch nötigen
Verabredungen zur Überfahrt nach Treptow in zwei
kleinen Booten getroffen; Ehm aber sollte, mit Be-
nutzung der nächsten Brücke, die Herrschaften am
andern Ufer erwarten. Alles stimmte zu, mit Aus-
nahme von Fräulein Riekchen, die verlegen erklärte,
»daß Bootschaukeln, von klein auf, ihr Tod gewesen
sei«. Worauf sich van der Straaten in einem Anfalle von Ritterlichkeit erbot, mit ihr in der Glaslaube zu-rückbleiben und das Anlegen des nächsten, vom »Ei-
erhäuschen« her erwarteten Dampfschiffes abpassen
zu wollen.
10
Wohin treiben wir?
Es währte nicht lange, so steuerten von einer dunk-
len, etwas weiter flußaufwärts gelegenen Uferstelle her zwei Jollen auf das Floß zu, jede mit einer Stock-laterne vorn an Bord. In der kleineren saß derselbe Junge, der schon am Nachmittage die Reifen auf die
Kirchhofswiese hinausgetragen hatte, während die
größere Jolle, leer und bloß angekettet, im Fahrwasser der anderen nachschwamm. Es gab einen hüb-
schen Anblick, und kaum daß die beiden Fahrzeuge
lagen, so stiegen auch, vom Floß aus, die schon un-
geduldig Wartenden ein: Rubehn und Melanie in das
kleinere, die beiden Maler und Anastasia in das grö-
ßere Boot, eine Verteilung, die sich wie von selber 90
machte, weil Elimar und Gabler gute Kahnfahrer wa-
ren und jeder anderweitigen Führung entbehren
konnten. Sie nahmen denn auch die Tête, und der
Junge mit der kleineren Jolle folgte.
Van der Straaten sah ihnen eine Weile nach und sag-
te dann zu dem Fräulein: »Es ist mir ganz lieb, Riekchen, daß wir zurückgeblieben sind und auf das
Dampfschiff warten müssen. Ich habe Sie schon im-
mer fragen wollen, wie gefällt Ihnen unser neuer
Hausgenosse? Sie sprechen nicht viel, und wer nicht viel spricht, der beobachtet gut.«
»Oh, er gefällt mir.«
»Und mir gefällt es, Riekchen, daß er Ihnen gefällt.
Nur das ›oh‹ beklag' ich, denn es hebt ein gut Teil Lob wieder auf, und ›oh, er gefällt mir‹ ist eigentlich nicht viel besser als ›oh, er gefällt mir nicht ‹. Sie sehen, ich lasse Sie nicht wieder los. Also, nur immer tapfer mit der Sprache heraus. Warum nur oh? Woran liegt es? Wo fehlt es? Mißtrauen Sie seinen Dra-
gonerreservelieutenantsallüren? Ist er Ihnen zu ka-
valiermäßig oder zu wenig? Ist er Ihnen zu laut oder zu still, zu bescheiden oder zu stolz, zu warm oder zu kalt?«
»Damit möchten Sie's getroffen haben.«
»Womit?«
91
»Mit dem zu kalt. Ja, er ist mir zu kalt. Als ich ihn das erstemal sah, hatt' ich einen guten Eindruck,
obgleich
Weitere Kostenlose Bücher