L'Adultera
von
seinem Sherry genippt hatte. Nichtsdestoweniger
sprach er unter Husten und Lachen weiter und erging sich in Vorstellungen Reiffscher Großtaten. »In politi-scher Mission. Wundervoll. O lieb' Vaterland, kannst ruhig sein. Aber einen kenn' ich, der noch ruhiger sein darf: er, der Unglückliche, den er sucht. Oder sag' ich gleich rundweg: der Attentäter, dem er sich an die Fersen heftet. Denn um etwas Staatsstreich-lich-Hochverräterisches muß es sich doch am Ende
handeln, wenn man einen Mann wie Reiff allerper-
sönlichst in den Sattel setzt. Nicht wahr, Sattlerchen von der Hölle? Und heut' abend noch! Die reine Ballade. ›Wir satteln nur um Mitternacht.‹ O Lenore! O
Reiff, Reiff.« Und er lachte konvulsivisch weiter.
Auch Arnold und Elimar, die man nach Verabredung
draußen treffen wollte, wurden nicht geschont, bis
endlich die Pendule vier schlug und zur Eile mahnte.
73
Der Wagen wartete schon, und die Damen stiegen
ein und nahmen ihre Plätze: Fräulein Riekchen neben Melanie, Anastasia auf dem Rücksitz. Und mit ihren
Fächern und Sonnenschirmen grüßend, ging es über
Platz und Straßen fort, erst auf die Frankfurter Linden und zuletzt auf das Stralauer Tor zu.
Van der Straaten und Rubehn folgten eine Viertel-
stunde später in einer Droschke zweiter Klasse, die man »echtheits«halber gewählt hatte, stiegen aber
unmittelbar vor der Stadt aus, um nunmehr an den
Flußwiesen hin den Rest des Weges zu Fuß zu ma-
chen.
Es schlug fünf, als unsre Fußgänger das Dorf erreichten und in Mitte desselben Ehms ansichtig wurden,
der mit seinem Wagen, etwas ausgebogen, zur Lin-
ken hielt und den ohnehin wohlgepflegten Trakeh-
nern einen vollen Futtersack eben auf die Krippe gelegt hatte. Gegenüber stand ein kleines Haus, wie
das Pfefferkuchenhaus im Märchen, bräunlich und
appetitlich, und so niedrig, daß man bequem die
Hand auf die Dachrinne legen konnte. Dieser Nied-
rigkeit entsprach denn auch die kaum mannshohe
Tür, über der, auf einem wasserblauen Schilde,
»Löbbekes Kaffeehaus« zu lesen war. In Front des
Hauses aber standen drei, vier verschnittene Linden-bäume, die den Bürgersteig von dem Straßendamme
trennten, auf welchem letzteren Hunderte von Sper-
lingen hüpften und zwitscherten und die verlorenen
Körner aufpickten.
74
»Dies ist das Ship-Hotel von Stralow«, sagte van der Straaten im Ciceroneton und war eben willens, in das Kaffeehaus einzutreten, als Ehm über den Damm
kam und ihm halb dienstlich, halb vertraulich ver-
meldete, »daß die Damens schon vorauf seien, nach
der Wiese hin. Und die Herren Malers auch. Und hät-
ten beide schon vorher gewartet und gleich den Tritt runter gemacht und alles. Erst Herr Gabler und dann Herr Schulze. Und an der Würfelbude hätten sie
Strippenballons und Gummibälle gekauft. Und auch
Reifen und eine kleine Trommel und allerhand noch.
Und einen Jungen hätten sie mitgenommen, der hät-
te die Reifen und Stöcke tragen müssen. Und Herr
Elimar immer vorauf. Das heißt mit 'ner Harmonika«.
»Um Gottes willen«, rief van der Straaten, »Zieh-
harmonika?«
»Nein, Herr Kommerzienrat. Wie 'ne Maultrommel.«
»Gott sei Dank!... Und nun kommen Sie, Rubehn.
Und du, Ehm, du wartest nicht auf uns und läßt dir geben... Hörst du?«
Ehm hatte dabei seinen Hut abgenommen. In seinen
Zügen aber war deutlich zu lesen: ich werde warten.
Am Ausgange des Dorfes lag ein prächtiger Wiesen-
plan und dehnte sich bis an die Kirchhofsmauer hin.
In Nähe dieser hatten sich die drei Damen gelagert
und plauderten mit Gabler, während Elimar einen
seiner großen Gummibälle monsieurherkulesartig
über Arm und Schulter laufen ließ.
75
Van der Straaten und Rubehn hörten schon von fer-
ne her das Bravoklatschen und klatschten lebhaft
mit. Und nun erst wurde man ihrer ansichtig, und
Melanie sprang auf und warf ihrem Gatten, wie zur
Begrüßung, einen der großen Bälle zu. Aber sie hatte nicht richtig gezielt, der Ball ging seitwärts, und Rubehn fing ihn auf. Im nächsten Augenblicke begrüßte man sich, und die junge Frau sagte: »Sie sind geschickt. Sie wissen den Ball im Fluge zu fassen.«
»Ich wollt', es wäre das Glück.«
»Vielleicht ist es das Glück.«
Van der Straaten, der es hörte, verbat sich alle derartig intrikaten Wortspielereien, widrigenfalls er an die Braut telegraphieren oder vielleicht auch Reiff in konfidentieller Mission abschicken werde. Worauf
Rubehn ihn zum hundertsten Male
Weitere Kostenlose Bücher