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L'Adultera

L'Adultera

Titel: L'Adultera Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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keinen,
    der zu brauchen wäre.«
    »Ich dächte doch...«, sagte Rubehn mit einem leisen Anfluge von Verlegenheit und Mißstimmung.
    »Ich dächte doch«, wiederholte Melanie und lachte.
    »Daß doch auch die Klugen und Klügsten auf diesen Punkt hin immer empfindlich sind! Aber ich bitte Sie, sich aller Empfindlichkeiten entschlagen zu wollen.
    Sie sollen selbst entscheiden. Beantworten Sie mir
    auf Pflicht und Gewissen die Frage: ob Ebenezer ein Name ist? Ich meine ein Name fürs Haus, fürs Geplauder, für die Causerie, die doch nun mal unser
    Bestes ist! Ebenezer! Oh, Sie dürfen nicht so bös
    aussehen. Ebenezer ist ein Name für einen Hohen-
    priester oder für einen, der's werden will, und ich seh' ihn ordentlich, wie er das Opfermesser
    schwingt. Und sehen Sie, davor schaudert mir. Ebe-
    nezer ist au fond nicht besser als Aaron. Und es ist auch nichts daraus zu machen. Aus Ezechiel hab' ich mir einen Ezel glücklich kondensiert. Aber Ebenezer!«
    Anastasia weidete sich an Rubehns Verlegenheit und
    sagte dann: »Ich wüßte schon eine Hilfe.«
    »Oh, die weiß ich auch. Und ich könnte sogar alles in einen allgemeinen und fast nach Grammatik klingen-den Satz bringen. Und dieser Satz würde sein: Um-

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    und Rückformung des abstrusen Familiennamens
    Rubehn in den alten, mir immer lieb gewesenen Vor-
    namen Ruben.«
    »Und das wollt' ich auch sagen«, eiferte Anastasia.
    »Aber ich hab' es gesagt.«
    Und in diesem Prioritätsstreite scherzte sich Melanie mehr und mehr in den Ton alter Unbefangenheit hinein und fuhr endlich, gegen Rubehn gewendet, fort:
    »Und wissen Sie, lieber Freund, daß mir diese Na-
    mensgebung wirklich etwas bedeutet? Ruben, um es
    zu wiederholen, war mir von jeher der sympathischs-
    te von den Zwölfen. Er hatte das Hochherzige, das
    sich immer bei dem Ältesten findet, einfach weil er der Älteste ist. Denken Sie nach, ob ich nicht recht habe. Die natürliche Herrscherstellung des Erstgebo-renen sichert ihn vor Mesquinerie und Intrigue.«
    »Jeder Erstgeborene wird Ihnen für diese Verherrli-
    chung dankbar sein müssen, und jeder Ruben erst
    recht. Und doch gesteh' ich Ihnen offen, ich hätt'
    unter den Zwölfen eine andere Wahl getroffen.«
    »Aber gewiß keine bessere. Und ich hoff', es Ihnen
    beweisen zu können. Über die sechs Halblegitimen
    ist weiter kein Wort zu verlieren; Sie nicken, sind also einverstanden. Und so nehmen wir denn, als
    erstes Betrachtungsobjekt, die Nestküken der Fami-
    lie, die Muttersöhnchen. Es wird so viel von ihnen
    gemacht, aber Sie werden mir zustimmen, daß die
    spätere ägyptische Exzellenz nicht so ganz ohne Not 100
    in die Zisterne gesteckt worden ist. Er war einfach ein enfant terrible. Und nun gar der Jüngste! Verwöhnt und verzogen. Ich habe selbst ein Jüngstes
    und weiß etwas davon zu sagen... Und so bleiben
    uns denn wirklich nur die vier alten Grognards von
    der Lea her. Wohl, sie haben alle vier ihre Meriten.
    Aber doch ist ein Unterschied. In dem Levi spukt
    schon der Levit, und in dem Juda das Königtum - ein Stückchen Illoyalität, das Sie mir als freier Schweizerin zugute halten müssen. Und so sehen wir uns
    denn vor den Rest gestellt, vor die beiden letzten, die natürlich die beiden ersten sind. Eh bien, ich will nicht mäkeln und feilschen und will dem Simeon lassen, was ihm zukommt. Er war ein Charakter, und
    als solcher wollt' er dem Jungen ans Leben. Charak-
    tere sind nie für halbe Maßregeln. Aber da trat Ruben dazwischen, mein Ruben, und rettete den Jungen, weil er des alten Vaters gedachte. Denn er war ge-fühlvoll und mitleidig und hochherzig. Und was
    Schwäche war, darüber sag' ich nichts. Er hatte die Fehler seiner Tugenden, wie wir alle. Das war es und weiter nichts. Und deshalb Ruben und immer wieder
    Ruben. Und kein Appell und kein Refus. Anastasia,
    brich einen Tauf- und Krönungszweig ab, da von der
    Esche drüben. Wir können sie dann die Ruben-Esche
    nennen.«
    Und dieses scherzhafte Geplauder würde sich mut-
    maßlich noch fortgesetzt haben, wenn nicht in eben
    diesem Augenblicke der wohlbekannte, zweirädrige
    Gig sichtbar geworden wäre, von dessen turmhohem
    Sitze herab van der Straaten über das Gitter weg mit der Peitsche salutierte. Und nun hielt das Gefährt, 101
    und der Enquêten-Kommerzienrat erschien in der
    Veranda, strahlend von Glück und freudiger Erre-
    gung. Er küßte Melanie die Stirn und versicherte ein Mal über das andere, daß er sich's nicht habe versagen wollen, die freie halbe

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