L'Adultera
»Ich
habe mich geängstigt um dich und mich. Ja, es ist
so. Frage nur Ruben. Und nun hab' ich Kopfweh.«
Anastasia nahm unter Lachen den Arm der Freundin
und sagte nur: »Und du wunderst dich über Kopf-
weh! Man wandelt nicht ungestraft unter Palmen.«
Melanie wurde rot bis an die Schläfe. Aber die Dun-
kelheit half es ihr verbergen. Und so schritten sie der Villa zu, darin schon die Lichter brannten.
Alle Türen und Fenster standen auf, und von den
frisch gemähten Wiesen her kam eine balsamische
Luft. Anastasia setzte sich an den Flügel und sang
und neckte sich mit Rubehn, der bemüht war, auf
ihren Ton einzugehen. Aber Melanie sah vor sich hin und schwieg und war weit fort. Auf hoher See. Und
in ihrem Herzen klang es wieder: Wohin treiben wir?!
118
Eine Stunde später erschien van der Straaten und
rief ihnen schon vom Korridor her in Spott und guter Laune zu: »Ah, die Gemeinde der Heiligen! Ich wür-de fürchten zu stören. Aber ich bringe gute Zeitung.«
Und als alles sich erhob und entweder wirklich neu-
gierig war oder sich wenigstens das Ansehen davon
gab, fuhr er in seinem Berichte fort: »Exzellenz sehr gnädig. Alles sondiert und abgemacht. Was noch
aussteht, ist Form und Bagatelle. Oder Sitzung und
Schreiberei. Melanie, wir haben heut' einen guten
Schritt vorwärts getan. Ich verrate weiter nichts.
Aber das glaub' ich sagen zu dürfen: von diesem Tag an datiert sich eine neue Ära des Hauses van der
Straaten.«
13
Weihnachten
Die nächsten Tage, die viel Besuch brachten, stellten den unbefangenen Ton früherer Wochen anscheinend
wieder her, und was von Befangenheit blieb, wurde,
die Freundin abgerechnet, von niemandem bemerkt,
am wenigsten von van der Straaten, der mehr denn
je seinen kleinen und großen Eitelkeiten nachhing.
Und so näherte sich der Herbst, und der Park wurde
schöner, je mehr sich seine Blätter färbten, bis gegen Ende September der Zeitpunkt wieder da war,
der, nach altem Herkommen, dem Aufenthalt in der
Villa draußen ein Ende machte.
119
Schon in den unmittelbar voraufgehenden Tagen war
Rubehn nicht mehr erschienen, weil allernächstlie-
gende Pflichten ihn an die Stadt gefesselt hatten. Ein jüngerer Bruder von ihm, von einem alten Prokuris-ten des Hauses begleitet, war zu rascher Etablierung des Zweiggeschäfts herübergekommen, und ihren
gemeinschaftlichen Anstrengungen gelang es denn
auch wirklich, in den ersten Oktobertagen eine Filiale des großen Frankfurter Bankhauses ins Leben zu
rufen.
Van der Straaten nahm an all diesen Hergängen den
größten Anteil und sah es als ein gutes Zeichen und eine Gewähr geschäftskundiger Leitung an, daß Rubehns Besuche seltener wurden und in den Novem-
berwochen beinahe ganz aufhörten. In der Tat er-
schien unser neuer »Filialchef«, wie der Kommer-
zienrat ihn zu nennen beliebte, nur noch an den kleinen und kleinsten Gesellschaftstagen und hätte wohl auch an diesen am liebsten gefehlt. Denn es konnt'
ihm nicht entgehen und entging ihm auch wirklich
nicht, daß ihm von Reiff und Duquede, ganz beson-
ders aber von Gryczinski, mit einer vornehm ableh-
nenden Kühle begegnet wurde. Die schöne Jacobine
suchte freilich durch halbverstohlene Freundlichkeiten alles wieder ins gleiche zu bringen und beschwor ihn, ihres Schwagers Haus doch nicht ganz zu vernachlässigen, um ihretwillen nicht und um Melanies
willen nicht, aber jedesmal, wenn sie den Namen
nannte, schlug sie doch verlegen die Augen nieder
und brach rasch und ängstlich ab, weil ihr Gryczinski sehr bestimmte Weisungen gegeben hatte, jedwedes
120
Gespräch mit Rubehn entweder ganz zu vermeiden
oder doch auf wenige Worte zu beschränken.
Um vieles heiterer gestalteten sich die kleinen Reunions, wenn die Gryczinskis fehlten und statt ihrer bloß die beiden Maler und Fräulein Anastasia zugegen waren. Dann wurde wieder gescherzt und ge-
lacht, wie damals in dem Stralauer Kaffeehaus, und
van der Straaten, der mittlerweile von Besuchen,
sogar von häufigen Besuchen gehört hatte, die Ru-
behn in Anastasias Wohnung gemacht haben solle,
hing in Ausnutzung dieser ihm hinterbrachten Tatsa-
che seiner alten Neigung nach, alle dabei Beteiligten ins Komische zu ziehen und zum Gegenstande seiner
Schraubereien zu machen. Er sähe nicht ein, wenigs-
tens für seine Person nicht, warum er sich eines reinen und auf musikalischer Glaubenseinigkeit aufge-
bauten Verhältnisses nicht aufrichtig freuen solle, ja, die Freude
Weitere Kostenlose Bücher