Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
L'Adultera

L'Adultera

Titel: L'Adultera Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
diese
    schnöde Lüge satt.«
    Er hatte jedes Wort begierig eingezogen, wie man in entscheidenden Momenten auch das hören will, was

    142
    einem den Tod gibt. Und nun war es gesprochen. Er
    ließ den Stuhl wieder nieder und warf sich hinein,
    und einen Augenblick war es ihm, als schwänden ihm
    die Sinne. Aber er erholte sich rasch wieder, rieb sich Stirn und Schläfe und sagte: »Gut. Auch das. Ich will es verwinden. Laß uns miteinander reden. Auch dar-
    über reden. Du siehst, ich leide; mehr als all mein Lebtag. Aber ich weiß auch, es ist so Lauf der Welt, und ich habe kein Recht, dir Moral zu predigen. Was liegt nicht alles hinter mir!... Es mußte so kommen, mußte nach dem van der Straatenschen Hausgesetz (warum sollen wir nicht auch ein Hausgesetz haben), und ich glaube fast, ich wußt' es von Jugend auf.«
    Und nach einer Welle fuhr er fort: »Es gibt ein
    Sprichwort ›Gottes Mühlen mahlen langsam‹, und
    sieh, als ich noch ein kleiner Junge war, hört' ich's oft von unserer alten Kindermuhme, und mir wurd'
    immer so bange dabei. Es war wohl eine Vorahnung.
    Nun bin ich zwischen den zwei Steinen, und mir ist, als würd' ich zermahlen und zermalmt...«
    Zermahlen? Er schlug mit der rechten in die linke
    Hand und wiederholte noch einmal und in plötzlich
    verändertem Tone: »Zermahlen! Es hat eigentlich
    etwas Komisches. Und wahrhaftig, hol' die Pest alle feigen Memmen. Ich will mich nicht länger damit
    quälen. Und ich ärgere mich über mich selbst und
    meine Haberei und Tuerei. Bah, die Nachmittagspre-
    diger der Weltgeschichte machen zuviel davon, und
    wir sind dumm genug und plappern es ihnen nach.
    Und immer mit Vergessen allereigenster Herrlichkeit, und immer mit Vergessen, wie's war und ist und sein wird. Oder war es besser in den Tagen meines Paten

    143
    Ezechiel? Oder als Adam grub und Eva spann? Ist
    nicht das ganze Alte Testament ein Sensationsro-
    man? Dreidoppelte Geheimnisse von Paris! Und ich
    sage dir, Lanni, gemessen an dem , sind wir die rei-nen Lämmchen, weiß wie Schnee. Waisenkinder. Und
    so höre mich denn. Es soll niemand davon wissen,
    und ich will es halten, als ob es mein eigen wäre.
    Deine ist es ja, und das ist die Hauptsache. Denn so du's nicht übelnimmst, ich liebe dich und will dich behalten. Bleib. Es soll nichts sein. Soll nicht. Aber bleibe.«
    Melanie war, als er zu sprechen begann, tief erschüttert gewesen, aber er selbst hatte, je weiter er kam, dieses Gefühl wieder weggesprochen. Es war eben
    immer dasselbe Lied. Alles, was er sagte, kam aus
    einem Herzen voll Gütigkeit und Nachsicht, aber die Form, in die sich diese Nachsicht kleidete, verletzte wieder. Er behandelte das, was vorgefallen, aller
    Erschütterung unerachtet, doch bagatellmäßig oben-
    hin und mit einem starken Anfluge von zynischem
    Humor. Es war wohlgemeint, und die von ihm gelieb-
    te Frau sollte, seinem Wunsche nach, den Vorteil
    davon ziehn. Aber ihre vornehmere Natur sträubte
    sich innerlichst gegen eine solche Behandlungsweise.
    Das Geschehene, das wußte sie, war ihre Verurtei-
    lung vor der Welt, war ihre Demütigung, aber es war doch auch zugleich ihr Stolz, dies Einsetzen ihrer
    Existenz, dies rückhaltlose Bekenntnis ihrer Neigung.
    Und nun plötzlich sollt' es nichts sein, oder doch nicht viel mehr als nichts, etwas ganz Alltägliches, über das sich hinwegsehn und hinweggehen lasse.
    Das widerstand ihr. Und sie fühlte deutlich, daß das 144
    Geschehene verzeihlicher war als seine Stellung zu
    dem Geschehenen. Er hatte keinen Gott und keinen
    Glauben, und es blieb nur das eine zu seiner Ent-
    schuldigung übrig: daß sein Wunsch, ihr goldne Brü-
    cken zu bauen, sein Verlangen nach Ausgleich um
    jeden Preis, ihn anders hatte sprechen lassen, als er in seinem Herzen dachte. Ja, so war es. Aber wenn
    es so war, so konnte sie dies Gnadengeschenk nicht
    annehmen. Jedenfalls wollte sie's nicht.
    »Du meinst es gut, Ezel«, sagte sie. »Aber es kann
    nicht sein. Es hat eben alles seine natürliche Konsequenz, und die , die hier spricht, die scheidet uns. Ich weiß wohl, daß auch anderes geschieht, jeden Tag,
    und es ist noch keine halbe Stunde, daß mir Christel davon vorgeplaudert hat. Aber einem jeden ist das
    Gesetz ins Herz geschrieben, und danach fühl' ich,
    ich muß fort. Du liebst mich, und deshalb willst du darüber hinsehen. Aber du darfst es nicht, und du
    kannst es auch nicht. Denn du bist nicht jede Stunde derselbe, keiner von uns. Und keiner kann vergessen. Erinnerungen

Weitere Kostenlose Bücher