L'Adultera
das Einerlei
nicht ertragen, auch nicht das Einerlei des Glücks.
Und am verhaßtesten ist euch das eigentliche, das
höchste Glück, das Ruhe bedeutet. Ihr seid auf die
Unruhe gestellt. Ein bißchen schlechtes Gewissen
habt ihr lieber als ein gutes, das nicht prickelt, und unter allen Sprüchwörtern ist euch das vom ›besten
Ruhekissen‹ am langweiligsten und am lächerlichs-
ten. Ihr wollt gar nicht ruhen. Es soll euch immer
was kribbeln und zwicken, und ihr habt den über-
spannt sinnlichen oder meinetwegen auch den heroi-
schen Zug, daß ihr dem Schmerz die süße Seite ab-
zugewinnen wißt.«
»Es ist möglich, daß du recht hast, Ezel. Aber je
mehr du recht hast, je mehr rechtfertigst du mich
und mein Vorhaben. Ist es wirklich, wie du sagst, so wären wir geborene Hazardeurs und Vabanquespie-len so recht eigentlich unsere Natur. Und natürlich auch die meinige.«
Er hörte sie gern in dieser Weise sprechen, es klang ihm wie aus guter, alter Zeit her, und er sagte, während er den Fauteuil vertraulich näher rückte: »Laß uns nicht spießbürgerlich sein, Lanni. Sie sagen, ich wär' ein Bourgeois, und es mag sein. Aber ein Spieß-
bürger bin ich nicht. Und wenn ich die Dinge des Lebens nicht sehr groß und nicht sehr ideal nehme, so nehm' ich sie doch auch nicht klein und eng. Ich bitte dich, übereile nichts. Meine Kurse stehen jetzt nied-140
rig, aber sie werden wieder steigen. Ich bin nicht
Geck genug, mir einzubilden, daß du schönes und
liebenswürdiges Geschöpf, verwöhnt und ausge-
zeichnet von den Klügsten und Besten, daß du mich
aus purer Neigung oder gar aus Liebesschwärmerei
genommen hättest. Du hast mich genommen, weil
du noch jung warst und noch keinen liebtest und in
deinem witzigen und gesunden Sinn einsehen moch-
test, daß die jungen Attachés auch keine Helden und Halbgötter wären. Und weil die Firma van der Straaten einen guten Klang hatte. Also nichts von Liebe.
Aber du hast auch nichts gegen mich gehabt und hast mich nicht ganz alltäglich gefunden und hast
mit mir geplaudert und gelacht und gescherzt. Und
dann hatten wir die Kinder, die doch schließlich reizende Kinder sind, zugestanden, dein Verdienst, und du hast enfin an die zehn Jahr' in der Vorstellung
und Erfahrung gelebt, daß es nicht zu den schlimms-
ten Dingen zählt, eine junge, bequem gebettete Frau zu sein und der Augapfel ihres Mannes, eine junge,
verwöhnte Frau, die tun und lassen kann, was sie
will, und als Gegenleistung nichts andres einzusetzen braucht als ein freundliches Gesicht, wenn es ihr
grade paßt. Und sieh, Melanie, weiter will ich auch jetzt nichts, oder sag' ich lieber, will ich auch in Zukunft nichts. Denn in diesem Augenblick erscheint dir auch das wenige, was ich fordere, noch als zu viel.
Aber es wird wieder anders, muß wieder anders wer-
den. Und ich wiederhole dir, ein Minimum ist mir
genug. Ich will keine Leidenschaft. Ich will nicht, daß du mich ansehen sollst, als ob ich Leone Leoni wär'
oder irgendein anderer großer Romanheld, dem zu-
liebe die Weiber Giftbecher trinken wie Mandelmilch 141
und lächelnd sterben, bloß um ihn noch einmal lä-
cheln zu sehen. Ich bin nicht Leone Leoni, bin bloß deutsch und von holländischer Abstraktion, wodurch
das Deutsche nicht besser wird, und habe die mir
abstammlich zukommenden hohen Backenknochen.
Ich bewege mich nicht in Illusionen, am wenigsten
über meinen äußeren Menschen, und ich verlange
keine Liebesgroßtaten von dir. Auch nicht einmal
Entsagungen. Entsagungen machen sich zuletzt von
selbst, und das sind die besten. Die besten, weil es die freiwilligen und eben deshalb auch die dauerhaf-ten und zuverlässigen sind. Übereile nichts. Es wird sich alles wieder zurechtrücken.«
Er war aufgestanden und hatte die Lehne des Fau-
teuils genommen, auf der er sich jetzt hin und her
wiegte. »Und nun noch eins, Lanni«, fuhr er fort,
»ich bin nicht der Mann der Rücksichtsnahmen und
hasse diese langweiligen ›Regards‹ auf nichts und
wieder nichts. Aber dennoch sag' ich dir, nimm
Rücksicht auf dich selbst. Es ist nicht gut, immer nur an das zu denken, was die Leute sagen, aber es ist
noch weniger gut, gar nicht daran zu denken. Ich
hab' es an mir selbst erfahren. Und nun überlege.
Wenn du jetzt gehst... Du weißt, was ich meine. Du kannst jetzt nicht gehen; nicht jetzt .«
»Eben deshalb geh' ich, Ezel«, antwortete sie leise.
»Es soll klar zwischen uns werden. Ich habe
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