Lady Almina und das wahre Downton Abbey: Das Vermächtnis von Highclere Castle (German Edition)
Meeresspiegel gelegene, windumwehte Spitze des Beacon Hill erreichten. Inmitten der üppigen, bewaldeten Landschaft boten sie einen düsteren Anblick. Der auf den letzten Metern von einem Traktor gezogene Krankenwagen bildete das Schlusslicht der Prozession.
Almina stand in Schwarz gehüllt neben dem Grab und begrüßte die Trauergäste, als diese die Hügelspitze erreichten. Sie hielten kurz inne, um die phantastische Aussicht zu würdigen. Das gesamte Anwesen, das der Earl so geliebt hatte, erstreckte sich vor ihnen – vom Gestüt über die Landwirtschaftsbetriebe bis hin zu den Rasenflächen und Wäldern. Im Zentrum der Anlage stand das viktorianische Herrenhaus, umringt von einer Parklandschaft, in der sich viele von vormaligen Besitzern errichtete Zierbauten befanden. Die Landschaft bot einen immensen Kontrast zum Wüstenstaub Ägyptens. Der 5. Earl hatte eine majestätische, einsame Begräbnisstätte gewählt, die in ganz anderer Weise als die kargen Sandberge und zerklüfteten Klippen im Reich des ägyptischen Pharaos Tutanchamun Ehrfurcht gebot.
Acht Männer von Highclere hoben den Sarg aus dem Krankenwagen und ließen ihn auf die Holzträger über dem Grab herab. Der Sarg war aus dem Holz einer Eiche des Anwesens gefertigt worden und mit der weinroten, hermelinbesetzten Krönungsrobe sowie der Adelskrone des verstorbenen Earls bedeckt. Um 11:00 Uhr hielten Rev. Jephson und Rev. Best die schlichte Trauerfeier ab, um die Lord Carnarvon gebeten hatte. Anschließend wurden die Robe und die Krone George Fearnside, dem treuen Kammerdiener des Earls, ausgehändigt. Die auf dem Sarg angebrachte Plakette trug die Inschrift: »George Edward Stanhope Molyneux Herbert, 5 th Earl of Carnarvon, geboren am 26. Juni 1866, gestorben am 5. April 1923«.
Als sich die Trauergäste, die Taschentücher an die Augen gedrückt, langsam entfernten, ließen sie Almina, am Grab ihres Mannes kniend, zurück. Ein vom Daily Express gemieteter Doppeldecker drehte brummend über dem Hügel Kreise. Die Fotos, die aus der Luft gemacht worden waren, wurden am nächsten Tag veröffentlicht. Damals wie heute konnte die Presse nicht davon absehen, jedes Ereignis bis über die Grenzen hinaus auszuschlachten.
Immer neue Gerüchte rankten sich um den Tod des Earls. Es hieß, es sei so schwierig gewesen, aus dem Boden von Beacon Hill ein Grab auszuheben, dass der Sarg senkrecht herabgelassen worden sei, und dass Lord Carnarvons treuer Terrier an seiner Seite bestattet worden sei. Im Lauf der Jahre wuchsen sich die Legenden und die Faszination des »Fluchs des Pharaos« zu wilden Theorien aus. Viele davon nährten sich aus zufälligen Gemeinsamkeiten zwischen dem Earl und Tutanchamun: Lord Carnarvon hatte an einer Knieverletzung gelitten, und Computertomografien scheinen zu beweisen, dass eines der Knie von Tutanchamun gebrochen war. Vermutlich wurde der Tod beider Männer durch den Stich eines Moskitos herbeigeführt: Lord Carnarvon zog sich, als er den Stich beim Rasieren aufschnitt, eine Infektion zu, die daraus resultierende Blutvergiftung hatte tödliche Folgen. Wissenschaftler äußerten später die Vermutung, dass der Pharao an Malaria erkrankt war, die von Moskitos übertragen wird. Sogar die Kopfform des Earls war für die Theoretiker von Interesse. Lord Carnarvon hatte oft gescherzt, er würde niemals einen Hut an einen anderen verlieren, da er niemandem außer ihm selbst passte. Später verbrachten Fachleute viel Zeit damit, die Form des Kopfes von Tutanchamun zu analysieren, da dessen Schädel eine leichte Wölbung aufwies. Die Theorie, dass er einen Schlag auf den Kopf erhalten hatte, wurde rasch verworfen, da die Vertiefungen in der Schädeldecke eher auf Unachtsamkeit bei der Mumifizierung denn auf Hinterlist zurückzuführen sind.
Für die Familie des 5. Earls besaß dessen Tod weitaus größere Bedeutung, und es war nicht leicht, damit umzugehen. Aubrey schrieb anlässlich des Verlusts seines Bruders: »Man weiß nie, wie viel man für einen Menschen empfindet, bis es zu spät ist.« Die beiden Männer waren sich stets nahegestanden, dennoch quälte Aubrey diese relativ schlichte Erkenntnis sehr. Evelyn vermisste ihren geliebten Vater schrecklich, und Almina war gleichermaßen verzweifelt. Porchy trug vermutlich die schwerste Bürde. Er hatte nie ein enges Verhältnis zu seinem Vater gehabt und musste ihm nun in seiner Position nachfolgen. Als er den Hügel hinunterschritt und das Anwesen, das er nun unterhalten sollte,
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