Lady Almina und das wahre Downton Abbey: Das Vermächtnis von Highclere Castle (German Edition)
Ereignis.
Die sterblichen Überreste der Königin wurden zwei Tage lang in Windsor Castle aufgebahrt. Das ganze Land war in tiefer Trauer. Alle Erwachsenen trugen Schwarz, sämtliche Läden wurden mit Trauerflor ausgestattet. Selbst schwarze Eisengitter erhielten einen neuen Anstrich, um der betrübten Stimmung angemessen Ausdruck zu verleihen.
Die Carnarvons wohnten dem Staatsbegräbnis bei, das am 2. Februar in der St George’s Chapel in Windsor Castle stattfand und bei dem sämtliche gekrönten Häupter Europas und Repräsentanten aller Dominions des britischen Reiches zugegen waren. Der verstorbenen Königin und dem neuen König wurde große Zuneigung bekundet, jedoch herrschte auch die bange Frage vor, wie es nun weitergehen würde. Die Briten waren immer noch in den Burenkrieg im Süden Afrikas verwickelt, dem die Bevölkerung wenig Verständnis entgegenbrachte und bei dem die Armee einige bittere Lektionen über Struktur, Taktik und den Einfluss von Krankheiten auf die Kampfkraft der Männer zu lernen gehabt hatte. Lord Kitcheners Strategie der »verbrannten Erde« und die Einrichtung von Konzentrationslagern durch die Armee lösten großes Unbehagen aus. Außerdem hatte der Feldzug das Ausmaß des katastrophalen Gesundheitszustands in den unteren Gesellschaftsschichten offenbart: 40 Prozent der von der Armee Rekrutierten erwiesen sich als für den Militärdienst ungeeignet.
Königin Victorias Regierungszeit fiel in eine Zeit des rasanten Fortschritts, der Industrialisierung und eines bisher unbekannten Wohlstands in Großbritannien. Ihr langes Leben vermittelte der Nation ein beruhigendes Gefühl der Kontinuität, und jede Spur von Unbeliebtheit, die durch ihr zurückgezogenes Leben als Witwe ausgelöst worden war, verwandelte sich angesichts ihres Todes in nostalgische Verehrung einer nun verloren gegangenen Zeit.
Der Prince of Wales, der bald als Edward VII. den Thron besteigen sollte, besaß trotz seines Alters wenig Erfahrung mit Regierungsgeschäften. Er war ohne Zweifel ein freundlicher, von Prozessionen und royalem Pomp begeisterter Mann. Seine Mutter und der Hofstaat waren jedoch stets wegen seines Mangels an Bildung und Zielstrebigkeit sowie wegen seines indiskreten Umgangs mit Mätressen besorgt – Liaisons, die durch Freunde wie Alfred de Rothschild gefördert wurden.
Nichtsdestotrotz sollte sich Edward VII. als würdiger, charmanter Regent erweisen, und die für großen Glanz und unbeschwerte Eleganz bekannte edwardianische Epoche stellte sich in Großbritannien ein. Der neue König verkündigte, dass die Staatstrauer für seine Mutter, die Königin und Kaiserin, nur drei Monate andauern solle. Danach konnten die Vorbereitungen für die im Juni des darauffolgenden Jahres angesetzte Krönung beginnen, bei der an Glanz nicht gespart werden sollte.
Tatsächlich verschob sich die Zeremonie aufgrund einer Blinddarmentzündung des Königs auf den 9. August 1902. Dem prunkvollen Ereignis in der Westminster Abbey wohnten auch Alfred de Rothschild, Lord und Lady Carnarvon, die verwitwete Countess of Carnarvon und weitere Mitglieder der Familie bei.
Das neue Jahrhundert war im Vormarsch und mit ihm eine moderne Welt, die nicht nur Lord Carnarvons Automobile beinhaltete, sondern auch die motorisierte Luftfahrt und die Arbeiterbewegung. Fern am Horizont lauerten Sozialismus, Revolution und Krieg. Doch als die Carnarvons in ihren hermelinbesetzten Roben zusahen, wie Edward zum König des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Irland sowie der britischen Dominions und zum Kaiser von Indien gekrönt wurde, muss ihnen ihre Welt so glitzernd und prächtig erschienen sein wie zuvor.
KAPITEL 7
Ägypten zur Zeit Edwards VII.
Das Jahr 1901 hatte mit großer nationaler Trauer begonnen, doch im späten Frühjahr waren die schwarzen Fahnen abgehängt worden, und es verbreitete sich die Ansicht, dass das Land nach vorne blicken müsse.
Für »Motor«-Carnarvon war es ein betriebsames Jahr. Geburten und Todesfälle waren wichtige Ereignisse, doch seine Leidenschaft für das Autofahren war nicht minder bedeutend. Im Juli, einen Monat vor Evelyns Geburtstag, versetzte er einen Polizisten in Rage, indem er laut der Beschreibung des Ordnungshüters, »mit einem unglaublichen Tempo von etwa 25 Meilen pro Stunde einen Hügel hinunterraste«. Zu allem Übel hielten weder der Earl noch sein Mechaniker, der in einem zweiten Auto folgte, als der Polizist erbost in seine Trillerpfeife blies und den Arm
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