Lady Chatterley (German Edition)
haben richtig Angst vor diesen Eisenmännern, wie sie sie nennen, diese Maschinen, die die Kohle abschlagen, wo das früher doch immer Menschen getan haben. Und sie sagen, es gibt genauso viel Abfall. Aber was abfällt, wird an den Löhnen wieder eingespart und noch viel darüber hinaus. Es sieht so aus, als ob es auf der Erde bald keine Verwendung mehr für die Menschen gäbe, die Maschinen übernehmen alles. Aber das haben die Leute auch schon gesagt, als sie die alten Strumpfwirkstühle aufgeben mußten. Ich kann mich noch auf ein paar besinnen. Aber glauben Sie mir, je mehr Maschinen, desto mehr Leute, so sieht das aus. Es heißt, man könnte nicht dieselben Chemikalien aus der Tevershaller Kohle gewinnen wie aus der von Stacks Gate, und das ist komisch, denn sie liegen keine fünf Kilometer auseinander. Aber es heißt nun mal so. Aber jeder sagt, es ist eine Schande, daß man sich nicht etwas ausdenkt, daß es den Männern besser geht und die Mädchen eingestellt werden können. All die Mädchen, die jeden Tag nach Sheffield müssen! Ich kann Ihnen sagen, das würde Gesprächsstoff geben, wenn in die Tevershaller Bergwerke neues Leben käme, nachdem jeder sagt, sie sind am Ende und ein sinkendes Schiff und die Leute müßten weggehen, wie Ratten das sinkende Schiff verlassen. Aber das Volk redet so viel. Natürlich hat es im Krieg einen Aufschwung gegeben. Als Sir Geoffrey einen ganzen Trust aus sich machte und irgendwie das Geld für immer sicherstellte. So sagt man wenigstens! Aber es heißt, selbst die Herren und die Besitzer beziehen heute nicht viel daraus. Kaum zu glauben, nicht? Na, ich habe immer gedacht, mit den Gruben würde es so weitergehen, für alle Zeit. Wer hätte so was gedacht, als ich ein Mädchen war! Aber New England ist zugemacht worden und Colwick Wood auch. Ja, es nimmt einen ziemlich mit, durchs Gehölz zu gehen und Colwick Wood da so allein zwischen den Bäumen stehen zu sehen; und über den ganzen Grubenkopf breitet sich Buschwerk aus, und die Schienen sind rot vor Rost. Das ist wie der Tod selber, eine tote Zeche. Mein Gott, was sollen wir nur tun, wenn Tevershall zugemacht werden würde? Man mag gar nicht daran denken. Es ist immer so viel Leben da gewesen, außer, wenn Streik war, aber sogar dann standen die Windräder nicht still, es sei denn, die Ponies wurden raufgeholt. Wirklich, die Welt ist komisch, man weiß nicht, wohin man noch kommt von Jahr zu Jahr, man weiß es wirklich nicht.»
Mrs. Boltons Geschwätz gab Clifford neuen Kampfesmut. Sein Einkommen war, wie sie ihm auseinandersetzte, gesichert – es floß ihm aus dem Trust seines Vaters zu, groß war es zwar nicht. Die Gruben berührten ihn im Grunde nicht. Die andere Welt wollte er erobern, die Welt der Literatur und des Ruhms, die Welt der Popularität, nicht die der Arbeit.
Jetzt erkannte er den Unterschied zwischen Popularitätserfolg und Arbeitserfolg: zwischen der genießenden Bevölkerungsschicht und der arbeitenden. Er, als freischaffendes Individuum, hatte mit seinen Geschichten die Müßiggänger unterhalten. Und er hatte Erfolg gehabt. Aber unter dieser Schicht lag die Schicht der Arbeitenden, finster, schmutzig und ziemlich schrecklich. Auch sie mußte ihre Versorger haben. Und es war ein viel grimmigeres Geschäft, die arbeitende Bevölkerung zu versorgen als die müßiggehende. Während er seine Geschichten schrieb und es in der Welt «zu etwas brachte», ging Tevershall zugrunde.
Er erkannte jetzt, daß die Hundsgöttin Erfolg zwei Hauptbegierden hatte: eine nach Schmeichelei, Lobhudelei, Streicheln und Kitzeln, was ihr von den Schriftstellern und Künstlern zuteil wurde; aber die andere, grimmigere, war auf Fleisch und Knochen gerichtet. Und Fleisch und Knochen für die Hundsgöttin wurde von den Männern beschafft, die ihr Geld in der Industrie verdienten.
Ja, zwei große Gruppen von Hunden gab es, die sich um die Hundsgöttin balgten: die Gruppe der Schmeichler, jene, die ihr Amüsement, Geschichten, Filme, Schauspiele lieferte, und die andere, viel weniger auffällige, viel wildere Rasse, jene, die ihr Fleisch gab, die eigentliche Substanz des Geldes. Die gepflegten, herausgeputzten Hunde des Amüsements fauchten und knurrten sich an und rangen um die Gunst der Hundsgöttin. Aber das war nichts, verglichen mit dem schweigenden Kampf aufs Messer, der unter den Unentbehrlichen, den Knochenbringern, vor sich ging.
Aber unter Mrs. Boltons Einfluß fühlte Clifford sich versucht, in diesen
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