Lady Ghoul
doch.«
Er lief auf die Tür zu. Celeste hatte sich wieder zurückgezogen. Mickey war nervös wie ein Primaner vor dem ersten Date, als er die Tür nach innen drückte.
Sie stand an der Wanne, aus der die Dampfwolken stiegen, und wandte ihm den Rücken zu.
Ein makelloser Rücken, eine Haut wie Marmor, ohne Falten, Verunreinigungen oder Pickel.
Bis zu den Füßen war sie nackt, und der Popsänger bekam eine trockene Kehle.
»Mann«, sagte er und ging vor.
Da drehte sie sich um.
Nicht schnell oder ruckartig. Dafür langsam, beinahe lasziv wirkend. Er sah in ihr Gesicht, ihre Augen, die in einem unheimlichen Rot leuchteten, und er sah ihre Zähne.
Das war ein Raubtiergebiß.
Gleichzeitig strömte ihm der Geruch entgegen.
Es war der Gestank von alten Leichen!
Sie standen sich gegenüber, ohne miteinander zu sprechen. Hätte Mickey nicht soviel getrunken, hätte er bestimmt reagiert, so aber konnte er nichts tun. Es war schwer für ihn, die Situation zu erfassen und sie auch umzusetzen.
»Du wolltest mich, hier bin ich…« Sie hatte anders gesprochen, mit einer viel tieferen und rauher klingenden Stimme. Ihre Pupillen waren knallrot geworden, und sie winkte mit dem rechten Zeigefinger. »Komm her, mein Freund, komm her…«
Mickey holte zischend Luft. »Nein«, sagte er. »Nein, verdammt, das mache ich nicht mit. Du bist verrückt, du bist wahnsinnig, du bist…« Er drehte sich um. Allmählich hatte sich auch in seinem vom Alkohol umnebelten Gehirn festgesetzt, daß sich diese Frau zu einem Monstrum verwandelt hatte.
Die Hand bekam er noch auf die Klinke, doch schaffte er es nicht, sie nach unten zu drücken.
Etwas hämmerte mit ungeheurer Wucht auf seine Schulter. Finger krallten sich fest. Er wurde zurückgerissen, fiel gegen sie, und starke Arme umklammerten ihn, bevor er nach rechts zur Seite geschleudert wurde.
Da war die Wanne.
Er stieß gegen sie, kippte nach vorn, sah noch den Dampf, dann spürte er das Wasser. Es war kochend…
Ein Schrei war nicht zu hören, als er eintauchte. Celeste aber drückte ihn tiefer. Ihren Händen tat die Hitze nichts. Sie schaute hinab, und ihr Gesicht schien dabei nur mehr aus einem Maul zu bestehen. Sie war Lady Ghoul, und sie würde ihrem Namen sehr bald wieder alle Ehre machen…
Ich hatte in der folgenden Nacht trotz allem gut geschlafen und fuhr am anderen Morgen erfrischt zum Yard.
Ich hatte am frühen Morgen mit Suko gesprochen und einen Freund gesehen, dessen Gesicht alle Trauer dieser Welt zeigte, weil er auch an diesem Tag die Begleitperson unseres Chefs, Sir James, mimen mußte. Als ich ihm von meinen Erlebnissen berichtete, hatte erglänzende Augen bekommen. Mit den Worten »Man kann nicht alles haben«, hatte ich ihn getröstet und war gefahren.
Glenda und ich trafen gleichzeitig ein. Noch im Fahrstuhl sprach sie mich auf den vergangenen Abend an. »Das war ja wohl ein Ding, diese komische Talk-Show.«
»Ja, die ging in die Hose.«
»Und wie war das mit dem Leichengeruch?«
»Das hat Mickey Graft behauptet.«
»Hast du nicht nachgeforscht?«
»Nein, Glenda, ich habe nichts herausbekommen. Als ich mit Celeste reden wollte, war sie verschwunden. Ich habe mir aber den Sänger vorgenommen.«
»Wie ist er?«
Ich winkte ab. »Den kannst du vergessen. Nur Schau, wahrscheinlich Unsicherheit. Jedenfalls wollte er die Frau anmachen. Das ist ihm nicht gelungen.«
»Freut mich, wenn sich solche Typen auch eine Blase laufen.«
Ich hockte mich hinter den Schreibtisch und tat so, als würde ich nachdenken. Irgendwie bekam ich meine Gedanken nicht zusammen, eines jedoch stand fest. Wenn dieser Fopsänger mit seiner Bemerkung recht gehabt hatte, dann steckte hinter der Person der Celeste mehr, als wir bisher überhaupt angenommen hatten.
Ich erinnerte mich an einen Fall, der erst kurz zurücklag. Da hatten wir einen neuen Kollegen bekommen, der einen Hauch von Moder ausströmte. [1]
Verhielt es sich bei dieser Celeste ebenso? Wenn ja, dann paßten Ernie Balsams Erklärungen und die des Popsängers zusammen. Glenda kam mit dem Kaffee. Sie lächelte, aber sie sah mir an, daß ich mich mit schweren Gedanken herumplagte. »Was ist, John? Kommst du nicht weiter?«
»Ich trete auf der Stelle.«
Sie stellte ihre und meine Tasse ab. »Celeste, nicht?«
»So ist es.«
»Rede doch mit ihr.«
»Das werde ich auch.« Ich nahm den ersten Schluck, der wunderbar schmeckte, und schaute auf die Uhr. »Allerdings nicht sofort. Sie wird noch im Bett liegen, so wie ich
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