Lady Ghoul
vernommen, mich aber nicht umgedreht. Es waren mehrere Personen, und es kamen noch welche hinzu. Irgendwo schlug eine Tür, ich hörte das Flüstern von Stimmen, dann sah ich auch hinter Karen schemenhafte Bewegungen.
»Laß es gut sein, Schwester!«
Die Stimme klang dunkel, rauchig. Ich hatte sie in meinem Rücken vernommen. »Kann ich mich umdrehen?«
»Das kannst du!« Ich drehte mich auf der Stelle.
Mindestens acht Augenpaare starrten mich an. Rot leuchtend, als würde das Höllenfeuer in ihnen flackern, und zu den Augenpaaren gehörten die Mündungen der Gewehre…
***
Ich kannte mich aus bei Sekten, bei verschworenen Gemeinschaften, und auch diese hier bildeten keine Ausnahme. Sie alle trugen die gleiche Kleidung. Lange, beigefarbene Gewänder, deren Säume ihre Fußknöchel umspielten.
Es waren die Frauen, die ich am vergangenen Abend in London bei der Talk-Show hatte sitzen sehen.
Obwohl vom Alter her unterschiedlich, glichen sie sich fast wie ein Ei dem anderen. Es lag nicht nur an den gleichen Gewändern, auch an ihren roten, grausamen Augen und an den ebenfalls roten Flecken auf ihren Wangen.
Wenn Celeste die Anführerin aller Frauen war, so kristallisierte sich nun eine Person hervor, die möglicherweise Celestes erste Dienerin war. Eine schon ältere Frau mit grauen Haaren und Bubikopffrisur. Sie ließ den Lauf ihres Gewehres sinken, als sie auf mich zutrat, plötzlich eine Hand hob und mich ohrfeigte.
»Männer«, sagte sie voller Verachtung. »Verdammte Männer. Ihr habt es nicht verdient, zu leben. Ihr habt lange genug die Unterdrücker gespielt. Die Zeit der Wende, der Umkehr ist gekommen. Wir alle hier hassen die Männer.«
»Auch den Teufel?« fragte ich.
Sie nahm den linken Arm zurück und winkelte ihn an. Es sah so aus, als wollte sie wiederschlagen, aber sie beherrschte sich. »Wieso der Teufel?« fragte sie. »Wieso?«
»Er ist auch männlich.«
»Wir haben nichts mit ihm zu tun!«
»Wirklich nicht? Soweit ich informiert bin, buhlen Hexen mit dem Teufel.«
Sie drehte sich halb um und stellte die nächste Frage ihren Schwestern.
»Habt ihr gehört, was er sagte? Wir sollen Hexen sein und mit dem Teufel buhlen. Dieser Mann ist widerlich. Wir hassen den Teufel, wir haben nichts mit ihm im Sinn.«
»Wie schön«, erwiderte ich. »Da haben wir ja eines gemeinsam. Auch ich mag den Höllenherrscher nicht.«
»Was magst du denn, Mann?«
Ich lachte. »Eher das Gegenteil vom Teufel!«
Sie wischte durch die Luft, als wollte sie damit eine lästig gewordene Mücke vertreiben. »Du redest viel, einfach zu viel. Und du weißt nichts, auch gar nichts.«
»Über Celeste einiges.«
»Und was?«
»Daß sie aus Atlantis stammt, diesem Kontinent, der vor mehr als zehntausend Jahren versunken ist. Sie muß schon damals zu den widerlichsten Dämonen und Schwarzblütlern gehört haben, denn auch in Atlantis kannte man bereits die Ghouls.«
»Ja, die Totenesser.«
»Richtig.«
»Und sie hat überlebt!« erklärte mir die Frau. »Wie so viele aus diesem Land.«
»Wer noch?«
Ich winkte ab. »Es ist müßig, Namen aufzuzählen. Laß dir gesagt sein, daß ich einige von ihnen kenne.«
»Dann mußt du ein besonderer Mensch sein.«
»Ich sehe aus wie alle anderen. Nur habe ich mich mit den Dingen bechäftigt und auch hinter sie schauen können. Es gibt noch Atlanter, aber nicht nur diese grausamen Wesen wie Celeste.«
»Sie ist nicht grausam. Sie ist unsere Königin. Sie wird die Wende einleiten. Sie hat lange genug gewartet. Jetzt ist sie gekommen, um die Welt zu übernehmen. Ich gebe zu, daß es beim ersten Anlauf nicht geklappt hat. Aber wir werden einen zweiten, wenn es sein muß, auch einen dritten unternehmen. Und wir werden gewinnen. Mit Celeste in die neue Zeit, in die Zeit der tiefen Vergangenheit, der Ursprünge, die wieder Gegenwart und Zukunft werden.«
»Mit einer Mörderin!« widersprach ich. »Mit einer Person, die so schlimm ist, daß sie selbst von den Dämonen oft genug verachtet wird. Ihr rennt in euer Unglück.«
Sie glotzte mich aus ihren großen, roten Augen an. »Wir rennen in unser Unglück? Nein, du bist es, der in sein Unglück rennt. Du und dein Begleiter. Ihr hättet in London bleiben und nicht kommen sollen. Jetzt ist es zu spät.«
»Leider gehört es zu meinem Job, Mörder zu jagen. Da kann ich keine Rücksicht nehmen, ob sie aus Atlantis stammen oder…«
»Celeste ist keine Mörderin. Sie…«
»Ist ein Ghoul. Lady Ghoul.« Ich sprach schnell weiter.
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